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Gerald Clayton - Two-shade

Gerald Clayton- Two-shade

Emarcy / Universal
VÖ: 29.09.2009

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 3/10

Pures Swing-Erdbeben

Die CD wird schnell aus der Hülle gefummelt und, im Nachhinein gesehen, relativ lieblos in den Rechner geschoben. Das Laufwerk rattert, blinkt und hustet, doch da nirgends was von Japan-Noise auf der Verpackung stand, wird gehofft, dass das noch nicht zur Performance gehört. Egal: Die Anlage ist aufgedreht, und während noch ganz kurz die Zeit bleibt, die Jacke im Flur aufzuhängen, verwandelt sich das Zimmer im Hintergrund ganz heimlich. Aus dem Schreibtisch wird ein Klavier, welches vor ein paar abgeschabten Tischen und Stühlen in einem verrauchten Zimmer steht, und durch ein Zwinkern ist der Hörer in der Lage, vor seinem inneren Auge Gerald Clayton zu manifestieren. Dicke Zigarrenrauchschwaden wabern durch 20 Quadratmeter und der Duft von abgestandenem Bier und Scotch bahnt sich brutal seinen Weg. Hello Jazz! Long time no see!

Gute sechs Minuten lang verharrt die Rezensentin irritiert, aber wahnsinnig fasziniert im Türrahmen und lässt sich von "Boogablues" in die Welt eben dieses Blues ziehen. Dieser Song fixt an. Er ist wie 365 Sekunden pures Swing-Erdbeben auf Stufe Zwölf. Erschütternd und doch mitreißend swingt dieser Track durch und durch, leise, rhythmisch und unglaublich flink. "Trapped in dream" fühlt sich hingegen experimentell an, ad hoc, durchgängig und zart fließend. Die Noten jagen einander, verfolgen sich, fordern heraus, korrespondieren so gekonnt, dass sie von Außenstehenden manchmal kaum gehört werden, nur um am Ende mit voller Wucht wieder ins Bewusstsein zu fahren. "One two you" ist eine musikalische Charakterzeichnung eines Menschen mit einer wundervoll poetischen Seele. Clayton gelingt es zumindest, ein solch lebhaftes Bild zu kreieren, er macht Charisma hörbar. Die Melodie reißt niemals ab, sie variiert ungemein und schafft das unglaubliche Paradoxon, dabei wahnsinnig stringent zu sein. Sie verläuft sich nie, folgt Claytons ganz persönlichen GPS - Gerald Positioning System.

So ist Clayton zwar ein Jazz-Pianist der neuen Garde - jung, wild, innovativ und experimentierfreudig. Dabei lässt er aber niemals die klassischen Finessen seiner Vorgänger außer Acht, sondern schafft es, diese aufzugreifen und durch sie hindurch seine ganz eigene musikalische Seite zu präsentieren. Stark und fordernd, Clayton pusht die Töne, er weiß, was er will, und er kriegt die Noten dann, wann er es möchte. Er greift sie auf, jongliert sie zart und elektrisiert sie durch sein Instrument. Es gelingt ihm mit einer virtuosen Leichtigkeit, kombiniert mit einer atemraubenden Fingerfertigkeit, welche zuweilen stark an die eines Ahmad Jamal oder einer Roberta Gambarini erinnert, eine klangvolle Jazz-Ästhetik zu schaffen, der man sich kaum entziehen kann - und sollte.

"Two-shades" verlangt lauthals nach einem doppelten Whisky, der so alt ist, dass er sich selbst in den Staaten legal einen Drink in einer Bar bestellen könnte. Zudem eine große Zigarre, viel Zeit und noch mehr Muse, sich auf diese Platte einzulassen, damit jeder sein ganz persönliches Swing-Erdbeben erleben kann. Denn genau das hat das Album verdient. Zu hundert Prozent. Beziehungsweise tausend Promille.

(Janine Luzak)

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Highlights

  • Boogablues
  • All of you
  • One two you

Tracklist

  1. Boogablues
  2. Trapped in a dream
  3. Two heads one pillow
  4. Peace for the moment
  5. All of you
  6. Love all around
  7. Casiotone pothole
  8. One two you
  9. Sunny day go
  10. Scrimmage
  11. You're out
  12. Con Alma

Gesamtspielzeit: 60:01 min.

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