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Thievery Corporation - Radio retaliation

Thievery Corporation- Radio retaliation

ESL / Rough Trade
VÖ: 26.09.2008

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Vertagte Revolution

Was war das für ein wunderbares Gefühl damals, 1996. Die Bässe des "DJ-Kicks"-Mixes von Kruder & Dorfmeister tropften satt aus den Autoboxen und ließen einen trotz der Dubschwere mit federleichtem Gefühl über die Straßen gleiten. Mittendrin im Mix thronte "Shaolin satellite" von der Thievery Corporation, die damals noch kein Schwein kannte, aber bald jeder kennen sollte, der sich irgendwie für Downbeat interessierte. Über die Jahre verkam der Stil an sich dann leider zum Musikbett für Fernsehreportagen, wenn er nicht gleich von sesselpupsenden Großstädtern in einer dieser sowieso immer gleich aussehenden Lounges als chillige Begleitmusik für den Verzehr eines Biermischgetränks missbraucht wurde. Dieses Schicksal blieb auch Eric Hilton und Rob Garza nicht erspart, die mit "Radio retaliation" ihr mittlerweile fünftes Album auf den Markt bringen.

Und das ist einigermaßen politisch geworden, wie schon der maskierte mexikanische Zapatistenkämpfer auf dem Cover signalisiert. Wie Hilton sinngemäß erläutert, sei das Album als Angriff auf die weitgehend homogenisierten US-Radios gedacht, die neben lauen musikalisch-kulturellen Inhalten statt unabhängiger Information nur noch die offizielle Regierungsversion der Nachrichten verkündeten. Solcherlei politisches Bewusstsein assoziiert man eigentlich kaum mit dem smoothen Sound des Washingtoner Duos. Dabei protestierten Garza und Hilton bereits gegen den Irakkrieg und wiesen in Zusammenarbeit mit den UN auf die globale Ernährungskrise hin. Ungeachtet dieses ehrenwerten Engagements wird die politische Botschaft von "Radio retaliation" jedoch wieder unvermeidlich dem Lärm der Kaffeeautomaten und Milchaufschäumer einschlägiger Chillfabriken zum Opfer fallen.

Denn natürlich wird man auch auf "Radio retaliation" von einer Wolke aus Wohlklang verschluckt. Was die Thievery Corporation allerdings davor bewahrt, vom Magensaft der Fleisch fressenden Pflanze namens Belanglosigkeit unmerklich zersetzt zu werden, ist ihr weltmusikalisches Flair, für das auch diesmal wieder einige Gastauftritte sorgen. Femi Kuti verpasst beispielsweise dem herausragenden "Vampires" eine Prise Afrobeat, Seu Jorge steuert brasilianische Vocals und einen Hauch Bossa für "Hare krsna" bei, während Anoushka Shankar, die Tochter von Ravi Shankar, für die indischen Sitarklänge des treibenden "Mandala" sorgt. Mit "Sound the alarm", dem lässig groovenden Titelstück und dem mit schönen Delayeffekten angereicherten "Blasting through the city" haben zudem gleich drei Songs den Weg auf das Album gefunden, die das Repertoire in willkommener Weise um Reggae und Dancehall erweitern.

"(The forgotten people)" kommt hingegen direkt von einem orientalischen Markt, während "La femme parallel" auch auf Airs "Moon safari" gepasst hätte. "Sweet tides" überrascht schließlich gar mit ein wenig Shoegazing-Atmosphäre. Einziges Manko von "Radio retaliation" ist - wie schon bei den früheren Alben -, dass die Platte auf den Reisen über die Kontinente am Ende eben doch immer wieder bei den gleichen Starbucks-Beats und McDonald's-Bläserfanfaren landet. Dieser Trademark-Sound ist zwar gut produziert, führt aber bei allen Feinjustierungen an der Stilschraube häufiger dazu, dass man den gerade laufenden Song schon von einem der letzten Alben her zu kennen meint. Zudem fehlen trotz großer Ausgeglichenheit Hits wie "Revolution solution" oder "The heart's a lonely hunter" vom letzten Album "The cosmic game". Ddurch den weitgehenden Verzicht auf esoterische Dudelei bestätigen Hilton und Garza dennoch problemlos ihren Rang innerhalb eines Genres, das sich auf breiter Front selbst die Lichter ausgepustet hat. Nur mit der Revolution wird das leider eher nichts. Mit einem Latte Macchiato in der Hand schießt es sich nicht so gut.

(Harald Jakobs)

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Highlights

  • Mandala
  • Radio retaliation
  • Vampires

Tracklist

  1. Sound the alarm (feat. Sleepy Wonder)
  2. Mandala (feat. Anoushka Shankar)
  3. Radio retaliation (feat. Sleepy Wonder)
  4. Vampires (feat. Femi Kuti)
  5. Hare Krsna (feat. Seu Jorge)
  6. El pueblo unido (feat. Verny Varela)
  7. (The forgotten people)
  8. 33 degree (feat. Zee)
  9. Beautiful drug (feat. Jana Andevska)
  10. La femme parallel (feat. LouLou)
  11. Retaliation suite
  12. The numbers game (feat. Chuck Brown)
  13. The shining path
  14. Blasting through the city (feat. Notch)
  15. Sweet tides (feat. LouLou)

Gesamtspielzeit: 55:55 min.

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