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Jenny Lewis - Acid tongue

Jenny Lewis- Acid tongue

Rough Trade / Beggars / Indigo
VÖ: 19.09.2008

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

LA crash

Für einen wirklich guten Musiker muss es unsagbar schwierig sein, einen wirklich schlechten Song zu schreiben. Rilo Kiley zum Beispiel klangen letztes Jahr auf "Under the blacklight" wie eine Musikgruppe, die alles daran setzte, ihr ganz persönliches Waterloo mit Querverweisen auf Tschernobyl und Bagdad zu erleben. Sie nahmen ihren Songs alle Schärfe, erhoben sich zum Band gewordenen Sinnbild von Los Angeles und sangen dazu die Klischee-Geschichten, die halt so passieren auf Hollywood Boulevard, Mulholland Drive und den angrenzenden Seitenstraßen. Schlechter als mittelmäßig wurden Rilo Kiley aber auch nach der mutwilligen Sabotage all ihrer Stärken und Spezialitäten nie. "Under the blacklight" funktionierte deshalb noch nicht mal als konsequenter Karriere-Bremsklotz - es machte die Band einfach bedeutungslos und damit eine Tür auf für Sängerin Jenny Lewis und ihr zweites Soloalbum.

"Acid tongue" hätte mit gutem Recht alles sein können, was sich Rilo Kiley mit strenger Disziplin abgewöhnt haben. Eine Fortsetzung der Folk- und Country-Postkarten von "Rabbit fur coat", die Lewis gemeinsam mit den Watson Twins vor zweieinhalb Jahren an alle Indierock-Hörer adressierte, die noch gar nicht wussten, dass sie Loretta-Lynn-Fans sind. Oder, wie schon der Titel vorschlägt, eine Rückkehr zur Gift spuckenden Herzlichkeit der älteren Rilo-Kiley-Platten, die keine Angst davor hatten, sich auch mal das Cocktailkleid in den Gossen der Rockmusik einzusauen. Tatsächlich verkleinert "Acid tongue" den Abstand zwischen Hauptband und Sängerin - indem es nahtlos an "Under the blacklight" anschließt und weiterhin versucht, Lewis zum Popsternchen hochzujubeln, das einfach nicht in die selbst ausgesuchten Verniedlichungsformen passt.

Es gibt hier derart lust- und witzlos komponierte Lieder wie "Tryin' my best" und "Godspeed", dass Lewis sie nur noch mit ihrer weiterhin außerordentlichen Stimme verkaufen kann. Es gibt die bewegungslose Entschlussmüdigkeit von "Black sand", dessen dünne Mädchengeschichte als Opener einer Kapitulation gleichkäme, wenn das Schlagzeug nicht so unberührt von allem in den nächsten Song hoppeln würde. Und es gibt außerdem Elvis Costello als prominentesten unter vielen prominenten Gästen, der einem mit seiner grundlos turbulenten zweiten Strophe in "Carpetbaggers" unangenehm nahe auf die Pelle rückt und die ganze schmissige Guilty-Pleasures-Fantasie kaputtmacht. Es gibt aber auch eine Kurve auf "Acid tongue", und irgendwie kriegt Lewis sie doch noch gerade so.

Anders als "Under the black light", auf dem sich Anspruch und Wirklichkeit meistens in der Mitte trafen, ist diese Platte eine der Ausreißer - nach unten wie beschrieben und nach oben wie folgt: "The next Messiah" wirkt auf "Acid tongue" regelrecht absurd in seiner ausladenden Selbstsicherheit und Dreiteiligkeit, die knappe neun Minuten braucht, um weite Teile der Rock'n'Roll-Geschichte mitzunehmen. "Fernando" zertrümmert die Einrichtung seiner Song-Kulisse danach mit dem größten Vergnügen aller vergnüglichen "Acid tongue"-Songs, und auch "Jack killed mom" zieht seine titelgebende Geschichte ohne größeres Bedauern auf. Wieder ein Rocksong ohne Blick für den Rückspiegel, hier mit "Sympathy for the devil"-Chor, Spoken-Word-Kern und besonders großartigem, wortlos-ekstatischen Gesangsfinale von Lewis. Vielleicht auch ein Alarmschläger für Rilo Kiley: Die besten Momente auf "Acid tongue" sind nicht die mühsam gelackten, sondern immer die, in denen Lewis den Karren einfach vor die Wand fährt.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights

  • The next Messiah
  • Fernando
  • Jack killed mom

Tracklist

  1. Black sand
  2. Pretty bird
  3. The next Messiah
  4. Badman's world
  5. Acid tongue
  6. Fernando
  7. Godspeed
  8. Carpetbeggars
  9. Tryin' my best
  10. Jack killed mom
  11. Sing a song for them

Gesamtspielzeit: 47:24 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
rothausmaler
2008-10-19 11:51:49 Uhr
live in köln war's ein traum.
Pablo Diablo
2008-09-12 13:20:21 Uhr
Die letzte Rilo Kiley war das musikalische Tschernobyl. Es wäre ein Wunder gewesen, wenn sie es geschafft hätte, das noch mal zu unterbieten.

Acid tongue ist ganz nett, aber größtenteils auch total egal. Ich bin enttäuscht. Mr. Lewis wäre ich trotzdem gern, nach wie vor. :-P
Dän
2008-09-12 13:14:14 Uhr
Hey, wenn überhaupt, bin ich Mr. Newsom-Millan, ja? Lewis steht eine Reihe dahinter. ;)

(Es hält dich ja niemand davon ab, bei MySpace reinzuhören. "Besser als die letzte Rilo Kiley" war ja durchaus ermutigend gemeint.)
mr.pink
2008-09-12 12:35:58 Uhr
damit hätte sich die scheibe wohl auch für mich erledigt, wenn "mr. lewis" ebenfalls einen eher negativen eindruck schildert.
Dän
2008-09-12 12:25:06 Uhr
Erster Eindruck: Besser als die letzte Rilo Kiley, aber nicht weltbewegend. "Next Messiah" und "Fernando" sind toll, vieles ist aber auch belanglos.
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