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Motorpsycho - Little lucid moments

Motorpsycho- Little lucid moments

Stickman / Indigo
VÖ: 28.03.2008

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Breitensport

In sich selbst verloren, hört man nur sie. Diese unscheinbare, einzelne Saite einer elektrischen Gitarre, die in aller Behutsamkeit damit beginnt, den ganzen Saal auszufüllen, nach Hingabe verlangend. Geduldig wartet sie auf ihren Ausbruch und beginnt damit, teuflische, verzerrte Fratzen zu schneiden. Wie ein loses Stück Drahtseil, das langsam zu einer gefährlichen Waffe mutiert. Wie ein ruhendes Herz, in dem wieder das Leben tobt. Die innere Unruhe treibt das Stück voran. Man kann ihr letztlich nur nachgeben und entwaffnet die Kontrolle in ihre guten Hände legen. Alle Gewalten, alle Dezibelzahlen und anderen möglichen Lautstärken schütten sich nach und nach über dem zur Ruhe gekommenen Publikum aus. Ein halbstündiger Rausch, der wahrlich jeden erreicht. Eine unheimliche, tiefsinnige Dichte, die weder in ihren minimalistischten Momenten, noch im feurigen Chaos an Gehalt verliert.

Genauer gesagt: verloren hat. Denn dieser drogenfreie Höhenflug "A K9 Suite" von Motorpsycho, zu finden auf einem der wohldurchdachtesten Live-Alben überhaupt, ist nun gute zehn Jahre alt. Nicht Wenigen dürfte "Roadwork Vol. 1" (mit dem charmanten Untertitel "Heavy Metall iz a poze, hardt rock is a laifschteil") in den Sinn gekommen sein bei der Ankündigung des neuen, zwölften Albums der norwegischen Band Motorpsycho. Hintergrund: In Zeiten von Myspace, kostenfreien Downloads und tonneneweise Informationen aus dem Musikbuisness ließ man sich über den selbstgeschaffenen Arbeitgeber Stickman Records nur die winzig kleine Information entlocken, dass "Little lucid moments" gerade mal vier Songs zu bieten habe. Keine Frage, dass es sich im Falle Motorpsychos um ausgedehnte Epen handeln würde. Und so hält sich die Verwunderung in Grenzen, wenn man die fast 60 Minuten vom CD-Display abliest, die "Little lucid moments" letztlich in sich trägt.

Lauter sind sie wieder geworden, nach all den großspurig produzierten wie grandiosen psychedelischen Popalben und nach dem Ausstieg des Drummers und Urgesteins Håkon Gebhardt. Noch impulsiver als auf dem viel zu schnell verblassten Doppelschlag "Black hole / Blank canvas", der sich zu ungestüm nach Veränderung sehnte. Spielten Bent Sæther und Hans Magnus Ryan den hölzernen Vorgänger noch alleine ein, steht nun mit Kenneth Kapstad ein neuer, fester Drummer zur Verfügung. In manchen Momenten finden sich Motorpsycho wieder auf der Höhe ihres Schaffens. Wie in "Year zero (A damage report)", das sich als ausgereifter Post-Rock entpuppt, sich auf Zehenspitzen enfaltet, eine Nische in Andacht findet, um dann beherzt und verquer in Siebziger-Hardrock-Anleihen zu münden. Ryan gibt krächzend die Marschroute zum Besten: "We turn our backs on what we knew." Euphorische Aufbruchsstimmung, die auf "Little lucid moments" nicht wirklich ihre Erfüllung findet. Zu viel Improvisiertes plätschert in der einführenden "Suite: Little lucid moments" vor sich hin, als wisse man nicht wirklich, was als nächstes zu tun sei. Mal hier ein Kling, dort ein Klong. Und dann?

Trotz energischer Gitarren auf dem Siedepunkt wirkt das 21-minütige Prunkstück enorm blutleer, weil gute Einzelakteure vergebens ihren Verbindungspartner suchen. Feingeistige Ausführungen wie der in Minimalismus geübte Schluss des ansonsten zu grobkörnigen, fast schwülstigen "She left on the sun ship" gehen beinahe unter. Die bekannten ekstatischen Melodienfeuer, das Gespür für den Einhalt gebietenden Augenblick und die spürbaren Gesangsfreuden von Sæther und Ryan sind viel zu selten eingestreut. Motorpsycho suchen nach dem Ausstieg von Gebhardt immer noch die Linie, die sie mit dem Drummer verloren haben. War "Black hole / Blank canvas" ein verkrampfter Versuch, mal wieder auf den Putz zu hauen, ist "Little lucid moments" ein ebenso unauthentisch proklamierter Neuanfang, der mit aller Macht auf Abschluss und Neuanfang pocht, der mehr in die Breite geht als in die Tiefe und schlussendlich vor allem Verwirrung stiftet. Was bleibt auf der Habenseite? Viele verstreute, leuchtende Momenten, die man wie Ostereier auf einem viel zu groß angelegten Feld suchen muss. Und ein wie immer respektables Handwerk, das die Platte über den Durchschnitt hebt.Oder wie Sæther es selbst formuliert: "It's got a little lucid moments in it, surrounded by a lot of weird shit."

(Markus Wollmann)

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Highlights

  • Year zero (A damage report)

Tracklist

  1. Little lucid moments, I)Lawned (Consciousness causes collapse), II)A hoof to the head, III) Hallucifuge (Hyperrealisticly speaking...), IV) Sweet oblivion/Perfect sense
  2. Year zero (The damage report)
  3. She left on the sun ship, featuring Confusion is Kjeks & (I think) I feel better now...
  4. The alchemyst, a discourse on transmutation, pennies dropping & the luminiferous aether

Gesamtspielzeit: 59:24 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

noise

Postings: 970

Registriert seit 15.06.2013

2021-04-13 20:01:00 Uhr
Die neue ist ja Album der Woche geworden. Gab es das eigentlich früher schon mal bei Motorpsycho?
Und ja, die Alben sind eigentlich alle underrated.

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31724

Registriert seit 07.06.2013

2021-04-13 16:02:16 Uhr
Motorpsycho hatten die ersten Jahre hier nicht den einfachsten Stand. Eigentlich hat für mich fast jedes Album 1-2 Punkte zu wenig.

fakeboy

Postings: 4683

Registriert seit 21.08.2019

2021-04-13 15:11:01 Uhr
Die hat hier nur 6 Punkte erhalten? Lächerlich. Skandalös. Darf man locker 9 Punkte geben.
Manus
2009-12-12 18:06:53 Uhr
Ok, danke. Dann arbeite ich mich mal durch.
naur
2009-12-12 14:17:54 Uhr
Ich hatte damals als Einstieg die "Trust Us". Die gibt eigentlich ganz gut das ganze Spektrum von MP wieder. Aber eigentlich kannste mit keiner was falsch machen.
Das erste Album "Lobotomizer" und die "Roadworks 2" würd ich vielleicht erstmal hinter anstellen.
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