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Danielson - Ships

Danielson- Ships

Secretly Canadian / Cargo
VÖ: 12.05.2006

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

20.000 Meilen über dem Meer

Man stelle sich vor: Eine immerwährende Fanfare spielt. Man bewegt sich nicht, sitzt, steht, liegt. Alle Glieder und Extremitäten bibbern und zappeln, man ist festgehalten in Zeit und Raum. Diese Fanfare zerschmettert die Hörnerven, verlangt so viel Konzentration und Aufmerksamkeit, bewegt einen, obwohl alles stillsteht. All die Helden der eigenen Kindheit schwirren herum: alle Soundtracks eines Bud-Spencer-und-Terence-Hill–Films, die Simpsons mit all ihren Anhängern trällern ihre eigenen Liedchen. Man ist nur imstande, so schnell wie möglich die Untertitel zu lesen und sich über die Aufmachung, die Zeichnungen und alleine, daß nun die Simpsons singen, totzulachen. Dr. Snuggles, die Muppets, die Peanuts, das alles.

Und Punkt. Hinter Danielson steckt nicht irgendwer, sondern ein ganzes Kollektiv an Musikern, besser gesagt eine Familie. Wer sich nun schlechte Vergleiche heranziehen will wie jenes Generationenkonsortium, welche Mitte der Neunziger in einem Hausboot auf dem Kölner Rhein hauste, mag sich hier eines besseren belehren lassen. Hinter Danielson steckt Familie Smith mit Frontmann, Gitarrist und Sänger Daniel Smith. Seine Sippschaft besteht aus kleinen Kindern bis hin zum greisen Opa. Sie alle bieten eine vokale Unterstützung, die seinesgleichen sucht. Die Danielson Famile hat seit 1995, mit ihrem Debüt "A prayer for every hour", unter verschiedensten Namen eine Vielzahl von Platten, EPs und Singles veröffentlicht - mit großer Unterstützung von Sufjan Stevens, der, bevor er zu seinem eigenen Siegeszug auszog, seine musikalische Karriere bei diesen Smiths begann. Stevens ist auch auf "Ships" dabei. Desweiteren werden Danielson unterstützt durch die Weirdo-Punk-Power-Pop-Zerstörer Deerhoof, den Neuzeit-Becks Why? und John Ringhofer, der unter seinem Pseudonym Half-Handed Cloud besser bekannt sein könnte.

Die Danielsons könnten sich psychedelischen Folk auf ihre musikalischen Fahnen schreiben, nur haben sie in ihrer fortlaufenden Karriere immer mehr Experimente einfließen lassen, während ihr Können deutlich anstieg. Längst verließen sie ihre kleinkrämerischen Pfade und schlagen nun eine deutlich progressivere Richtung ein. So mag man "Ships" fast in die Nähe der Flaming Lips verorten, nur fehlt Danielson die Stringenz, die Wayne Coynes Schillerrocker zu einem bestaunten Teil der Popkultur macht. Danielson hingegen sind so etwas wie die Amish People der Musik.

Genau solche Geister aus der Vergangenheit flattern 40 Minuten lang herum und lassen einen für diesen Zeitraum lächeln. Aber nicht weil sie die bloßen Geister der eigenen Kindheit sind, sondern weil diese schwirrenden Figuren mit ihrem bunten Instrumentarium sich einen liebevollen Minimalismus angeeignet haben. Einen Minimalismus, der keine Grenzen setzt, sondern jeden Song mit kindlichem Zauber übergießt. Es bleibt immer bei einem Hauch von Melancholie, den sie transportieren, um nicht abzudriften, den Kurs zu verlieren. Aber die wilde Fanfare spielt immer noch. Glockenspiel, pastorale Chöre, Klingeln, ekstatische Drums, Banjos, Geigen, tragen diese spirituellen Kompositionen bis zum Ende, durchsetzt von Umschwüngen, die an so lieblicher Absurdität kaum zu überbieten, an Schönheit kaum zu übertreffen sind - Ekstase, Ekstase!

Daniel Smiths Stimme hält sich an den Höchstgrenzen der Dezibel-Markierungen auf, malträtiert das Trommelfell seiner Hörer und schenkt ihnen gleichzeitig ein vierzigminütiges Gebet, voller spiritueller, psychedelischer Kraft, durch den Danielson Chor, durch jedes Instrument, ein Traum voller Überraschungen, wie eine bunte Bonbontüte, durch Umschwünge, Besuche in allen Genres, tiefverwurzelte Folklore, Soli, mantraartige Ruhe, die man findet, wenn man sucht. Und letztlich ein Gefühl, alles, jedes, Deines, meines, unseres, irgendwas in den Händen zu halten, weil es so etwas wie "Ships" nicht noch einmal gibt. Weil "Ships" in seiner Konsequenz jegliche Konventionen wie nie genannte Normen aussehen läßt und man sich immer wieder fragen muß, ob das alles real war, was da durch meine Kopfhörer gekommen ist. Man möchte den Text des letzten Songs "Five stars and two thumps up" an die Macher zurückreichen, ihnen zurufen: "Thanks, thaaaanks, thaaaaaaanks, thaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanks!" Und nach diesen 40 Minuten? Die Augen wollen sich nicht wieder öffnen, und es beginnt von vorn. Ein Kind im Süßwarenladen - und man hat alles, alles, alles in seinen Händen. Oder zumindest ein Lächeln im Gesicht.

(Markus Wollmann)

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Highlights

  • Cast it at the setting sail
  • Did I step on your trumpet
  • Two sitting ducks
  • Time that bald sexton

Tracklist

  1. Ship the majestic suffix
  2. Cast it at the setting sail
  3. Bloodbook on the halfshell
  4. Did I step on your trumpet
  5. When it comes to you I'm lazy
  6. Two sitting ducks
  7. My lion sleeps tonight
  8. Kids pushing kids
  9. Time that bald sexton
  10. He who flattened your flame is getting torched
  11. Five stars and two thumps up

Gesamtspielzeit: 42:17 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Pascal
2007-05-19 12:52:34 Uhr
Hatte ich beinhae vergessen, muss jetzt erstmal wieder die Vinyl rauskramen.
rhdf
2007-05-17 14:51:50 Uhr
ich bin zwar erst später auf sie gestoßen, aber ich finde sie auch wirklich WIRKLICH gut
thischarmingman
2006-11-12 13:32:38 Uhr
Samstag, 9. Dezember '06
Palace St. Gallen, CH (www.palace.sg)

- DANIELSON -

+ Support: JEFFREY LEWIS (!!!)

-> übrigens recht nahe an der Grenze zu Deutschland/Österreich. Gleich beim Bodensee, in weniger als einer Stunde von Konstanz und Lindau oder in zwei Stunden von München/Stuttgart erreichbar.
röz
2006-10-03 16:56:24 Uhr
in der schweiz tatsächlich 2mal zu sehen. schön!
und so nah bei mir. wenn so was passiert, ist vieles gut.
Armin
2006-10-02 17:38:29 Uhr
Einmal. Nur ein einziges Mal wird er in Deutschland ein Konzert geben. Und
das nicht in den handelsüblichen Metropolen Berlin, Hamburg, München oder
Köln sondern in Darmstadt, eine der meist unterschätzten Städte
Deutschlands. Zugegebenermaßen ist es müßig darüber zu diskutieren, das ein
Deutschland Gig viel zu wenig ist, um Daniel Smith, dem Mann hinter
DANIELSON gerecht zu werden. Freuen wir uns daher über die Tatsache, das es
geklappt hat, ihn von Touren mit SONIC YOUTH oder WOVEN HAND loszueisen und
am 8.12.2006 in der Oettinger Villa in Darmstadt live zu erleben. Und um
sich schon mal einzustimmen, empfiehlt sich das umwerfende Video zu "Did I
Step On Your Trumpet?" aus dem aktuellen Album "Ships" (Secretly Canadian),
zu finden hier:

http://stream.qtv.apple.com/qtv/toolshed/secretlycanadian/sc103trumpet_ref.m
ov


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