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Stephen Malkmus & The Jicks - Sparkle hard

Stephen Malkmus & The Jicks- Sparkle hard

Domino / Rough Trade
VÖ: 18.05.2018

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Der seltsame Fall des Stephen Malkmus

Stephen Malkmus muss der jüngste 51-Jährige der Welt sein. Wurde sein letztes Jicks-Album "Wig out at jagbags" schon im Vorfeld von angekündigten Ambitionen und Inspirationen begleitet – von der Stadt Köln über so unterschiedliche Bands wie Can, Gas und den Red Hot Chili Peppers –, ist das Credo dieses Mal ein gänzlich Konträres. "Sparkle hard" soll direkter als alles zuvor sein, Malkmus wollte einfach nur Spaß am Jam und dem Experiment mit unterschiedlichsten Instrumenten haben, als wäre er ein großäugiger Lausbub bei seinem ersten Besuch im Studio und nicht eine der prägendsten Figuren der Indie-Rock-Geschichte. Zugegebenermaßen ist der Aussagewert dieser Informationen erst einmal in Frage zu stellen, waren die Jicks auch zuvor schon poppig und unverkrampft und war auch besagtes Vorgänger-Album bei all seinen Einflüssen erstaunlich zugänglich. Doch tatsächlich hat man hier das Gefühl von noch mehr juveniler Sorglosigkeit, weil der Ex-Pavement-Fronter auf seinem siebten Streich mit neuer Band noch großzügiger mit Ideen und Erweiterungen für seinen Trademark-Sound umgeht als zuvor. Unter anderem gibt es Autotune, Fideln, generell sehr markante Country-Ansätze und Kim Gordon – drei von diesen vier Komponenten übrigens in einem einzelnen Song.

Aber der Reihe nach. Der mit Laut-leise-Dynamik arbeitende Opener "Cast off" gibt noch nicht allzu viel preis, doch kurz darauf folgt schon das erste große Highlight. "Solid silk" ist eine liebevolle Dream-Pop-Umarmung, wie sie Real Estate nicht verträumter und vernebelter hätten schreiben können und die in einem Wolkenmeer aus schwermütigen Streichern gen Himmel befördert wird. Befürchtungen, Malkmus wäre mit Überschreitung des halben Lebensjahrhunderts doch weich geworden, werden aber direkt im Anschluss zerschlagen, weil er im ungleich aggressiveren "Bike lane" ein herrlich schmutziges Riff aus seiner Gitarre schabt und textlich mit amerikanischer Polizeigewalt abrechnet. Dieser Kontrast von angenehmer Anschmiegsamkeit und rotzigem Rock zieht sich auch an anderen Stellen durch "Sparkle hard", und die Jicks landen dabei meistens auf dem Punkt, überzeugen im Midtempo-Folk von "Middle America" gleichermaßen wie in "Shiggy", einem stark an Pavement erinnernden Vier-Akkorde-Gepolter. Zu dieser "Alles geht"-Attitüde passt dann auch ganz wunderbar, dass Kim Gordon ausgerechnet an dem Song beteiligt ist, der am absolut allerwenigsten nach Kim Gordon klingt: In "Refute" darf die einstige Sonic-Youth-Nölerin ihre innere Dusty Springfield ausleben, während um sie herum gefidelt, geslidet und geschunkelt wird und Malkmus' Grinsen von seiner Wahlheimat Portland bis nach Nashville reicht.

Diese Zerfahrenheit ist leider aber auch die Krux von "Sparkle hard". Über die meiste Zeit sind das Songwriting so gut und die Spielfreude so groß, dass der fehlende Fokus nicht nennenswert ins Gewicht fällt, doch die schwächeren Momente können hier nicht so mitgetragen werden, wie es bei einem Album mit stringenterem Flow der Fall wäre. "Rattler" besteht nur aus ohne Sinn und Struktur zusammengepappten Autotune- und Gitarren-Passagen, und das nach einer jazzigeren Version von Mac DeMarco klingende "Future suite" offenbart zwar Malkmus' oft bei der Slacker-Ästhetik von Pavement untergegangenes instrumentales Können, doch bleibt als Song ganz schön ziellos. Auch mit den Longtracks ist es ein ausgeglichenes Hit & Miss: "Kite" hat einen fantastischen Spannungsaufbau, bestehend aus Folk-Intro, proggigen Strophen und einem mächtigen Gitarrenwalzen-Finale, doch das abschließende "Difficulties / Let them eat vowels" bietet einfach zu wenig für seine sieben Minuten Laufzeit. Es sind nur vergleichsweise kleine Kritikpunkte, doch diesem sprudelnden Jungbrunnen von Kreativität und Frische, diesem möglicherweise melodieverliebtesten Gitarristen des Indie-Rock überhaupt wünscht man einfach die Makellosigkeit, die er selbst nie für sich beansprucht hat. Da muss man vielleicht einfach über seinen Schatten als analytisch-reflektierender Musikliebhaber springen und sich den Ethos von "Sparkle hard" auch für seine eigenen Hörgewohnheiten aneignen. Solange der jüngste 51-Jährige der Welt noch immer so viel Spaß beim ungezwungenen Musizieren hat, sollten wir genauso viel Spaß dabei haben, ihm zuzuhören.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Solid silk
  • Bike lane
  • Kite

Tracklist

  1. Cast off
  2. Future suite
  3. Solid silk
  4. Bike lane
  5. Middle America
  6. Rattler
  7. Shiggy
  8. Kite
  9. Brethren
  10. Refute (feat. Kim Gordon)
  11. Difficulties / Let them eat vowels

Gesamtspielzeit: 43:49 min.

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User Beitrag

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31722

Registriert seit 07.06.2013

2022-08-07 20:10:11 Uhr
Komm echt nicht auf die letzten 3 Minuten von "Kite" klar. Was für Gitarren...

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31722

Registriert seit 07.06.2013

2022-07-26 19:45:11 Uhr
Geilen Gitarrensound hat die Platte. Absolutes Highlight da die zweite Hälfte von "Kite". Göttlich. Malkmus ist eh einer meiner liebsten Gitarristen... Grad was Soli angeht. Immer einzigartig absurd ohne inkohärent oder muckerig zu werden.

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31722

Registriert seit 07.06.2013

2018-12-16 19:50:44 Uhr
Jahresendbetrachtungen?

Ich mag wohl "Bike lane" und "Shiggy" am meisten. Wie vieles von ihm ist das Album so im 7,5er-Bereich.

MopedTobias (Marvin)

Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion

Postings: 19948

Registriert seit 10.09.2013

2018-05-24 22:52:42 Uhr
Hast du den letzten Absatz übersprungen?
Radiohead71
2018-05-24 21:00:18 Uhr
Wieder mal wunderbar. Zum Text der Rezension passt auch besser eine 8/10. War nur noch eine 6 übrig?
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