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Colin Stetson - All this I do for glory

Colin Stetson- All this I do for glory

52Hz / Indigo
VÖ: 28.04.2017

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Indie-Falle

Man müsste es einfach machen können. Zuerst dem unwissenden Freund im Umkreis von Colin Stetson vorschwärmen. "Hey, der Typ ist Saxofonist und kann auch sonst alles mögliche an Blasinstrumenten spielen. Musst Du auschecken! Der hat bei drei Arcade-Fire-Alben mitgemacht und bei Tom Waits mal angefangen! Und in den letzten Jahren noch bei Bon Iver, Animal Collective, David Gilmour und Feist gespielt. Ach, ich bin mir nicht ganz sicher, aber auf dem neuen Album klingt es sogar, als hätte Thom Yorke von Radiohead Vocals beigesteuert!" Spätestens jetzt hat sich der unbedarfte, auf Indie-Musik abfahrende Freund auf zum nächsten Plattenladen gemacht, um das gute Stück zu ergattern. Dann sollte man unbedingt dabei sein, wenn dann "All this I do for glory" das erste Mal auf dem Plattenteller rotiert. Das Gesicht, wenn Erwartungen zu Staub zerfallen, dürfte unbeschreiblich sein.

Natürlich haben wir heute allerdings das Internet, was nicht nur für unbegrenzten Porno-Konsum genutzt werden kann, sondern auch ein Spielverderber erster Güte ist. Denn man kann sich einfach vorab schon überzeugen, dass Colin Stetson auf seinen Soloplatten die abseitigen Sounds sucht, Strukturen aufbricht und neue Klangwelten erzeugt. Zugänglichkeit ist eher Fehlanzeige. "All this I do for glory" ist demnach ambitionierterweise als erste Hälfte einer fatalen Liebesgeschichte im Stil der alten griechischen Tragödie angelegt. Nicht, dass man in Worten davon erzählt bekäme: Laut Stetson standen vor allem die abstrakten Schaltkreis-Gebilde von Aphex Twin oder Autechre Pate für den Sound, Vocals – wenn überhaupt – sind allenfalls ohne erkennbare Worte verzerrt im Hintergrund zu hören. Wie eingangs erwähnt, ist das dem Yorkeschen Jaulen recht ähnlich. Aber selbst dessen spärliche Soloplatten sind beinahe opulent im Vergleich zu Stetsons Alleingang.

Die Paarung von düsteren Elektro-Fantasien mit hypnotischem Saxofon-Spiel ist nicht weit entfernt von Stetsons eigener "New history warfare"-Trilogie, die zwischen 2007 und 2013 veröffentlicht wurde. Waren dort jedoch oft kurze Gedankenschnipsel hintereinander auf der Jagd durch die Boxen, steht auf "All this I do for glory" das Einfinden in eine spiralförmige Repetition im Vordergrund. Bis auf den heftigen kurzen Horrortrip "In the clinches" überschreiten alle Stücke die Marke von sechs Minuten. Oft wird ein gelooptes, stark percussionlastiges Motiv über den gesamten Song beibehalten, welches wie in "Like wolves on the fold" mit kurzatmigen Bläsertönen versehen wird. Entwicklung steht hier selten im Vordergrund, stattdessen sind Atmosphäre und Stimmung der Trumpf. Vor allem das schier wahnwitzige, ganz auf das Saxofon ausgerichtete "Spindrift", dessen Video Stetson quasi bei der Arbeit in seinem Element zeigt, treibt das auf die Spitze.

Erst der Closer "The lure of the mine" verlässt den Kokon der kurzen Zyklen und schickt seinen Beat über Höhen und Tiefen, lässt ihn aussetzen und findet in den finalen Momenten sogar so etwas wie eine göttliche Melodie. Der harmonischste Teil zum Schluss – das widerspricht nicht dem Konzept, denn die zugrunde liegende Tragödie ist schließlich noch nicht an ihrem Ende angekommen. Was zudem Hoffnung macht, dass Stetson in Zukunft noch einmal eine Fortsetzung zu "All this I do for glory" springen lässt. Wäre mit Sicherheit lohnenswert. Nur den einen Freund, den könnte man wahrscheinlich nicht noch ein zweites Mal verarschen.

(Felix Heinecker)

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Highlights

  • Spindrift
  • The lure of the mine

Tracklist

  1. All this I do for glory
  2. Like wolves on the fold
  3. Between water and wind
  4. Spindrift
  5. In the clinches
  6. The lure of the mine

Gesamtspielzeit: 43:37 min.

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User Beitrag

AndreasM

Plattentests.de-Mitarbeiter

Postings: 706

Registriert seit 15.05.2013

2017-05-10 15:01:34 Uhr
Dankeschön! Dann werde ich mal sehen, ob die Sachen auch was für mich sind, denn dsa "Groovige" mag ich hier schon sehr.
pino
2017-05-10 14:57:04 Uhr
@AndreasM

Die "New History Warfare"-Reihe ist insgesamt sehr ähnlich, nur mit dem Unterschied, dass auf manchen Tracks Guest-Vocals vorhanden sind, die meiner Ansicht nach - in den meistens Fällen zumindest - zu einer Steigerung der bereits dichten Atmosphäre beitragen.
"All This I Do For Glory" geht allgemein etwas leichter ins Ohr, finde ich. Ist "grooviger", sozusagen.
Ich persönlich mag Vol. II am liebsten. Besonders empfehlen kann ich daraus "Judges", "The Stars In His Head", "Lord I Just Can't Keep From Crying Sometimes" und "Fear Of The Unknown And The Blazing Sun".

AndreasM

Plattentests.de-Mitarbeiter

Postings: 706

Registriert seit 15.05.2013

2017-05-10 12:28:30 Uhr
Ich finde es nach ein paar Mal hören auch toll. Insbesondere 'The lure of the mine' ist umwerfend und aufregend gut. Ohne jetzt in die anderen Rezensionen reinzuschauen, gehen die anderen Alben denn in eine ähnliche Richtung? (Das Album mit Sarah Neufeld habe ich sogar gehört, das ist mir aber deutlich verkopfter in Erinnerung.)

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 9320

Registriert seit 26.02.2016

2017-04-25 21:51:08 Uhr
Viellecht noch mal erwähnenswert:
Drownedinsound vergibt die Höchstnote.

Revolution

Postings: 15

Registriert seit 29.05.2015

2017-04-21 19:05:43 Uhr
Das ist wohl der Inbegriff von verkopfter Musik
Aber ich mags, sogar sehr, in diesem Sinne,Album ist vorbestellt
Zum kompletten Thread

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