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Dirty Projectors - Dirty Projectors

Dirty Projectors- Dirty Projectors

Domino / GoodToGo
VÖ: 24.02.2017

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Im Schmerz geboren

Trennungsalben sind – für sich genommen – schon ein ganz eigenes Genre. Dabei ist klar: Jeder verarbeitet ein Beziehungsende auf individuelle Weise, dies ist auch bei Musikern nicht anders. Der eine mag es im Falle des Herzschmerzes krachig-extrem, der andere wehmütig-rotweingetränkt. Dave Longstreth wiederum, künstlerischer Mastermind hinter den hochgelobten Dirty Projectors, wählt seinen eigenen Weg und der führt ihn in unwegsames Gelände: Post-R'n'B, Pop-Dekonstruktionen und Autotune-Kaskaden wachsen und wuchern heute dort, wo früher noch wegweisender Indie-Rock verwurzelt war. Nach der musikalischen und persönlichen Trennung von Ex-Mitglied Amber Coffman krempelt Longstreth also alles einmal auf links, zerfleischt seinen bisherigen künstlerischen Ansatz. Und trifft mit dieser Transformation voll ins Schwarze. Das unbetitelte siebte Album der zum Quartett geschrumpften Band aus Brooklyn zeigt eindrucksvoll, wie leichtfüßig und lustvoll Genre-Grenzen verwischt werden können. Bis sie letztlich ganz und gar verschwinden.

So wie die Liebe eben auch nach und nach verblasst, bis irgendwann nur noch schwammige Konturen übrig bleiben. Der persönliche Verlust jedenfalls spricht aus sämtlichen Zeilen der neun neuen Stücke, die schonungslose Selbstoffenbarung Longstreths bereitet in ihrer greifbaren Plastizität, ihrer bildlichen Ausführung fast schon Schmerzen. Sie geht nahe und ringt dem Hörer größten Respekt ab. Gleich zu Beginn lassen Dirty Projectors keinen Zweifel an der Marschrichtung, heißt es im referenzlastigen Opener "Keep your name" doch: "I don't know why you abandoned me / You were my soul and my partner / What we imagined and what we became / We'll keep 'em separate and you keep your name." Zu diesen klaren Worten gesellt sich anfänglich ein mehr als mehrdeutiges Glockenläuten, später ein Sample von "Impregnable question", einer damals noch gültigen Liebeserklärung, veröffentlicht auf dem direkten Vorgänger "Swing lo Magellan". All diese Puzzleteile ergeben ein stimmiges Ganzes, zeichnen das Bild eines gebrochenen Herzens.

Im folgenden "Death spiral" sprechsingt Longstreth über patchworkartige Sounds, es knarzt, knattert und klimpert im Hintergrund, dass es die vielzitierte helle Freude ist. Viel mehr kann man in fünf Minuten nicht hineinpacken, ohne dass der Song überladen wirkt: Verzweifelter R'n'B trifft auf experimentellen Klangexpressionismus, Indie-Rock winkt grüßend aus der Ferne. Mutig, wie entschlossen Dirty Projectors hier ihren bisherigen Pfad verlassen, wie selbstverständlich Songstrukturen aufgedröselt und abgewickelt werden. "Little bubble" erscheint in seiner verträumten Gedankenverlorenheit noch als konventionellster Song, als blubbernde, falsettlastige Ballade. Im Video zu dieser melancholischen Single sitzt der Verlassene auf einem Hügel inmitten herrlicher Ödnis, meditiert in einem Gewächshaus, liegt grübelnd auf einem kleinen Fleckchen Wiese. Es sind dies Sinnbilder eines Mannes, der auf der Suche ist, so wie auch seine neuen Kompositionen Irrwege bestreiten. Man hört ihnen nur zu gerne dabei zu.

Im siebeneinhalbminütigen Herzstück "Up in Hudson" lässt Longstreth seine Beziehung zu Coffman Revue passieren, vom ersten Augenblick des Kennenlernens im Bowery Ballroom über langwierige Tourneen in zu kleinen Vans bis hin zum Augenblick der Erkenntnis, dass alles vorbei ist: "Now we're going our separate ways / But we're still connected / You'll go forward and I'll stay the same." Nach dem Aus hört er am Hudson River entlang fahrend Kanye West, sie in Los Angeles sitzend 2Pac. Zwischen ihnen liegen viereinhalbtausend Kilometer. Und mehrere Welten. Besonders klar wird diese Einsicht auch im vertrackten "Winner take nothing", für das Liebe ohnehin lediglich ein Wettbewerb ist. Einer, der schlussendlich nur Verlierer kennt. Selten klang Verzweiflung schöner, kunstvoller, ideenreicher als hier: ein schwacher Trost für den guten Dave, ein großes Album für die Allgemeinheit.

(Kevin Holtmann)

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Highlights

  • Death spiral
  • Up in Hudson
  • Winner take nothing
  • I see you

Tracklist

  1. Keep your name
  2. Death spiral
  3. Up in Hudson
  4. Work together
  5. Little bubble
  6. Winner take nothing
  7. Ascent through the clouds
  8. Cool your heart
  9. I see you

Gesamtspielzeit: 48:18 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Jennifer

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 4711

Registriert seit 14.05.2013

2017-03-29 12:53:14 Uhr
Amber Coffman Shares Statement About Her Departure From Dirty Projectors

[...] "All went considerably well, but things took an unfortunate downturn around the completion of my record, at which time we stopped speaking.

It was never my intention or wish to leave the band or end my friendship with Dave. It was a surprise to me to learn last September about his album plans, the content, timing, use of the band name, etc… I consider it a loss to no longer be involved with Dirty Projectors, but ultimately walking away was the only healthy choice for me." [...]

sugar ray robinson

Postings: 145

Registriert seit 14.06.2013

2017-02-23 21:45:20 Uhr
Fast noch bissl früh, aber nach 10 Durchgängen:

01 “Keep Your Name” 8/10
02 “Death Spiral” 8/10
03 “Up In Hudson” 9/10
04 “Work Together” 6/10
05 “Little Bubble” 9/10
06 “Winner Take Nothing” 9/10
07 “Ascent Through Clouds” 7/10
08 “Cool Your Heart” 10/10
09 “I See You” 8/10

Swing Lo > s/t > Bitte Orca

Cool your heart ist der Hit!
@ boy
2017-02-23 11:10:54 Uhr
sind erwachsen-, gereift- und vernünftig vorkommen für dich ernsthaft kriterien beim musikhören? findest du deinen kommentar nicht selber etwas blöd beim nochmaligen durchlesen?

Elektrolyte

Postings: 184

Registriert seit 20.09.2016

2017-02-23 09:02:17 Uhr
Gefällt mir aufs erste Hören wieder etwas weniger als Swing.
Boy Klingebiel
2017-02-22 21:29:48 Uhr
Und sowas hört ihr euch ernsthaft an, ja? Und kommt euch dabei auch noch irgendwie erwachsen, gereift und vernünftig vor?

Hm.
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