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Wilco - Schmilco

Wilco- Schmilco

Anti / Indigo
VÖ: 09.09.2016

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Im Schneckenhaus

Böse Zungen könnten in Anbetracht der aktuellen Veröffentlichungspolitik von Wilco wieder Gift und Galle spucken: Nachdem vor rund zwölf Monaten mit "Star wars" ein eher kompaktes Album erschien, folgt nun mit "Schmilco" eine weitere Platte ähnlicher Couleur. Bedeutet im Klartext: Wilco verzichten zur Zeit auf ausschweifende Elegien und Mantras und konzentrieren sich auf kurze, präzise Folkrock-Stücke, die je nach Stimmungslange ihre Wurzeln im Alternative-Country, im Pop oder im klirrenden Krach schlagen. Manche Hörer blicken also sehnsuchtsvoll zurück, wünschen sich die durch Mark und Bein dringende Melancholie von "Sky blue sky", die Detailverliebtheit von "A ghost is born" oder die stille Grandezza des Meisterwerks "Yankee hotel foxtrot". Wie ein leicht gealterter Schriftsteller, der schon mehrere gefeierte und prämierte 1000-Seiten-Wälzer geschrieben hat und sich nun auf Kurzgeschichten fokussiert, legen Wilco nun eben ihr Augenmerk auf die Kurzstrecke. Und das auf tatsächlich eindrückliche Art und Weise.

Der ulkige Titel des zehnten Studioalbums ist übrigens eine Hommage an den amerikanischen Singer-Songwriter Harry Nilsson, der mit seinem kommerziell erfolgreichen Werk "Nilsson Schmilsson" einen wesentlichen Beitrag zum Pop-Rock der 70er-Jahre leistete. Betrachtet man zusätzlich zum Albumtitel noch das drollige Cover, so könnte der Eindruck entstehen, Wilco haben hier eine recht lustige Platte vorgelegt, doch diese Impression ist freilich falsch: "Schmilco" grübelt, philosophiert, weint manch bittere Tränen, meckert sanft, kratzt und fiept, dass es eine helle Freude ist. Bereits der Opener "Normal American kids" erinnert im Grundton an Wilcos erfolgreiche Phase zu Beginn des Jahrtausends: Zunächst legen die Männer um Jeff Tweedy eine klassische Nick-Drake-Eröffnung mit sehnsuchtsvoller Akustikgitarre und ruhiger, butterweicher Stimme hin, im Hintergrund setzt die E-Gitarre dann leichte Akzente, während man sich inhaltlich über die Tristesse der amerikanischen Jugend wundert.

"If I ever was a child" schwingt sich dann in luftige Höhen auf: Über eine angenehm herbstliche Instrumentierung erklingt das berührende, melancholische Herzstück der neuen Platte. Fakt ist nämlich: Dies ist der beste Wilco-Song seit einigen Jahren. Auch das folgende "Cry all day" setzt auf eine ruhige wie zarte Grundstimmung, die Gitarren perlen im Hintergrund wie der prasselnde Septemberregen am Panoramafenster. Erst mit dem kaputten "Common sense" verlassen Wilco ihr Schneckenhaus der Harmonie, es fiept und tschirpt und rumpelt und sorgt trotz wohlklingendem Albumbeginn dafür, dass man es sich mit "Schmilco" gar nicht erst zu gemütlich macht. Auch dies ein Prinzip, nach dem Wilco in der Vergangenheit oft vorgegangen sind, nicht nur auf Platte, sondern auch live: ungezügelte Gitarrensoli und Störeffekte, die den Glanz der traurigen Schönheit brechen und ihren Effekt dadurch letzten Endes nur verstärken.

Die zweite Albumhälfte wird mit "Happiness" eröffnet, einer Nummer, die natürlich alles andere als wirklich happy klingt: Die süße Schwermut ist förmlich greifbar, auch wenn der Silberstreif am Horizont zu erkennen ist. Man muss die Augen nur fest genug zukneifen. Anschließend spielen sich Tweedy und Co. durch grundsolide Wilco-Standards, die qualitativ nicht abfallen, ohne groß aufzufallen. Besonders schön wird es wieder gegen Ende, wenn "We aren't the world (Safety girl)" zur melodieseligen Kirmes einlädt und das friedvoll schunkelnde "Just say goodbye" programmatisch und folgerichtig den Vorhang für "Schmilco" schließt: kein Album für die Ewigkeit vielleicht, eine gelungene Standortbestimmung dieser alten Recken in jedem Falle.

(Kevin Holtmann-Schmoltmann)

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Highlights

  • Normal American kids
  • If I ever was a child
  • Happiness

Tracklist

  1. Normal American kids
  2. If I ever was a child
  3. Cry all day
  4. Common sense
  5. Nope
  6. Someone to lose
  7. Happiness
  8. Quarters
  9. Locator
  10. Shrug and destroy
  11. We aren't the world (Safety girl)
  12. Just say goodbye

Gesamtspielzeit: 36:45 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 9320

Registriert seit 26.02.2016

2021-09-21 13:00:55 Uhr
"Star Wars" und "The Album" finde ich zumindest nicht viel besser.
"The Whole Love" kann zwar nie mit seinen Großtaten am Rand mithalten, für mich dennoch ein ganzes Stück stärker.

MopedTobias (Marvin)

Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion

Postings: 19949

Registriert seit 10.09.2013

2021-09-21 12:58:22 Uhr
Da kann ich nicht mitgehen. Finde es DEUTLICH besser als "Star wars" und im Gesamten wohl auch besser als "The album" und "The whole love", die zwar noch größere Highlights, aber im Gegensatz zu "Schmilco" auch Lowlights haben. Die ersten drei Songs oder "We aren't the world (Safety girl)" finde ich richtig stark und ich höre hier keine Längen oder Durchhänger. Auf jeden Fall 7,5-8/10 bei mir.

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 9320

Registriert seit 26.02.2016

2021-09-21 12:06:28 Uhr
Für mich wohl auch ihr schwächstes Album. Definitiv sind da gute Songs dabei, aber selbst die magere Spielzeit von 36 Minuten zieht sich.

Zappyesque

Postings: 998

Registriert seit 22.01.2014

2021-09-21 11:46:43 Uhr
Ich halte dieses Album ja für leicht übersehen. "Normal American kids", "If I ever was a child", "we aren't the world" und "Just Say Goodbye" sind allesamt richtig schöne Nummern die eine Zwiespältigkeit zwischen besonnener Leichtigkeit und Melancholie eint, welche wiederum dem Album einen besonders harmonischen Rahmen gibt. Dazwischen wird fein und frohlockend musiziert. Die Produktion ist besonders sanft und transparent, ganz im Einklang mit dem musikalischen Gehalt.

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31725

Registriert seit 07.06.2013

2021-09-21 11:31:08 Uhr
Langweilt mich leider immer noch. Und das bei 36 MInuten Spielzeit.
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