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Pfarmers - Our puram

Pfarmers- Our puram

Joyful Noise / Cargo
VÖ: 12.08.2016

Unsere Bewertung: 9/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

You shall know the spirit

Da haben sich Bryan Devendorf (The National), Danny Seim (Menomena) und Dave Nelson (in deren Umfeld Studiomusiker) alias Pfarmers für ihr zweites Album "Our puram" ja mal ein Hintergrundsetting ausgesucht! Morgens vor die Tür treten, blinzelnd die Sonne betrachten und die innere Ausgewogenheit spüren – für eine Zeitlang war dieses herrliche Gefühl Realität für etwa 7000 Gefolgsleute des spirituellen Führers Rajneesh in ihrer Kommune, dem sogenannten Rajneeshpuram in Oregon. Durch seine polarisierende Lehre vom freien Leben und ungezwungener Sexualität konnte der Guru auf eine beachtliche Gefolgschaft zählen und sie nach seiner Auswanderung von Indien in die USA um sich scharen. Aber eine Geschichte ohne Makel wäre für ein Konzeptalbum natürlich langweilig. Und wie es eben oft passiert, wenn Menschen auf andere Menschen treffen, zerbrach die Idylle nur wenige Jahre später. Ihr Oberhaupt wandte sich ab, unschöne Dinge kamen ans Licht und die Gemeinde löste sich nach zahlreichen internen Konflikten auf.

Ganze drei Jahrzehnte später gießen Pfarmers nun also den Fall Rajneeshpuram in ein Konzeptwerk – und selbstverständlich eignet sich ihr jamlastiger Stil schon von vorherein äußerst gut dazu, den befreiten Geist der Gemeinschaft einzufangen. Nicht umsonst hieß es schon auf dem formidablen Debüt "Gunnera" aus 2015: "You shall know the spirit." Die Band erweitert allerdings in der zweiten Runde nicht nur ihren musikalischen Horizont, sie schöpft jetzt erst richtig aus dem Vollen. Die Spiritualität hat offenbar auch die drei Herren eingenommen und vollkommen souverän zeigen sie, dass sie definitiv das beste und coolste The-National-meets-Menomena-Projekt sind. Sorry, El Vy.

Gegen "Our puram" wirkt die Vorgängerplatte gerade mal wie ein Aufwärmprogramm. Beibehalten wurde die dem Trio inhärente Lässigkeit eines Freizeitprojekts. Hier haben sich eingespielte Freunde gesucht und gefunden. Auch das fantastische Gespür für Rhythmusfiguren ist noch da, nicht zuletzt dank Drummer Devendorf, der schon bei seiner Hauptband ein kaum zu überschätzender Bestandteil ist. Dennoch setzt der Zweitling den Anspruch deutlich höher, was schon das eröffnende "97741" (die Postleitzahl des damaligen Purams) mit grellen Synthies und drückendem Beat anfangs klarstellt, bevor es in einem Wasserfall aus White Noise hineinfällt. Der Einstieg gerät dem Thema entsprechend düsterer und eindringlicher als alles, was sich auf dem Vorgänger fand. Auch das leicht aggressiv brummelnde Keyboard in "Tour guide" wäre auf "Gunnera" eher ein Fremdfaktor gewesen.

Was "Our puram" zum absoluten Triumph macht, sind jedoch weniger die Einzelsongs, sondern die allgegenwärtige Detailverliebtheit und der konsequente Vibe, der sich durch die gesamte Spielzeit zieht. Schon beim ersten Durchlauf reißen die gekonnten Arrangements, die unglaublich einfallsreichen Rhythmen und die trotz aller Komplexität immer einladenden Stücke vollkommen mit. Wie in der ersten Single "Red vermin" plötzlich der Himmel aufbricht, wie "You're with us" mit militaristischem Getrommel böse Geister verscheucht oder wie das Instrumental "Osho rising" zunehmend Drums, Synthies und Feedback aufschichtet, das ist nicht nur große Kunst, sondern auch immer berührend und einnehmend.

"The hits keep coming", heißt es mantraartig in "The commune", doch Hits im eigentlichen Sinne besitzt die Platte nicht und hat diese auch gar nicht nötig. Hat man die Struktur der Tracks erst mal durchschaut, fallen bei jedem Hördurchgang neue Details auf. War dieser Drumfill schon immer da? Mit was zum Teufel haben die diesen Percussionsound an jener Stelle gemacht? Was ist das für ein komfortables Brummen, das hier plötzlich reinschneit? "Our puram" ist eine riesige Schatztruhe für Entdecker. Man möchte hoffen, dass einiges von dieser Explorativität auch ins nächste Album von The National überschwappt.

Eine Ausnahme von der qualitativen Geschlossenheit gibt es: Der abschließende Titeltrack ist derartig meisterhaft konstruiert, dass man den Song des Jahres schon jetzt krönen möchte. Er hebt das Album endgültig auf ein wahnsinnig hohes Level und schließt den Spannungsbogen magisch ab. Ein sturer Drumbeat bringt die Sache ins Rollen, mit einer optimistischen Färbung wird der Exodus aus der zerfallenen und verkommenen Kommune beschrieben: "Slowly, surely, we'll forget about our puram." Und jeder Teil des siebenminütigen Stücks ist besser als der vorherige. Am Ende ist alles in eine Wall of Sound aus gleißendem Licht getaucht, die Synapsen sind durchgedreht, der Geist im Rauschzustand. So muss sich die Erleuchtung des Rajneesh angefühlt haben. Nur dass bei Pfarmers die anschließende Desillusion ausbleibt und stattdessen die fanatische Begeisterung anhält.

(Felix Heinecker)

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Highlights

  • Red vermin
  • Osho rising
  • Our puram

Tracklist

  1. 97741
  2. Tour guide
  3. Red vermin
  4. You're with us
  5. Sheela
  6. The commune
  7. Osho rising
  8. Our puram

Gesamtspielzeit: 41:09 min.

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User Beitrag

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 9319

Registriert seit 26.02.2016

2019-12-28 00:31:08 Uhr
"Red Vermin" und der Titeltrack sollten keine Probleme bereiten. :-)

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31725

Registriert seit 07.06.2013

2019-12-27 21:55:25 Uhr
Na da muss ich jetzt nochmal reinhören, nachdem Felix die so hoch in seinen 2010ern hatte.
Kanohni
2016-08-24 09:54:43 Uhr
Eines der besten Alben des Jahres. Diese Rhythmusfraktion ist einfach Gott.

afromme

Postings: 539

Registriert seit 17.06.2013

2016-08-23 19:44:37 Uhr
Ich find's schon okay, aber nicht brilliant. In der Rubrik "(Ex-)Menomena/National-Nebenprojekte" gefällt mir insgesamt El Vy besser als Pfarmers.

Über etwas neues von Menomena würde ich mich noch mehr freuen, ob als Duo Seim/Harris oder Trio mit Knopf.

Stephan

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 991

Registriert seit 11.06.2013

2016-08-20 11:27:40 Uhr
Titeltrack super, "Red vermin" auch. Der Rest brennt sich noch nicht sonderlich in mein Ohr.
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