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Sam Coomes - Bugger me

Sam Coomes- Bugger me

No Quarter / Domino / GoodToGo
VÖ: 19.08.2016

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Grusel & Dusel

Warum setzen Menschen sich freiwillig dem Horror aus? Was erfüllt uns in schreckenden Filmen, den grausigen Bildern im Internet? Die Bewegung um den Horrorpunk der 70er wollte nach außen hin schockieren, nur um im Inneren zu wachsen, optimistischer zu werden. Das ist keine seelische Reinigung nach altgriechischem Vorbild, sondern eine Ablenkung. Um mit dem Übel zurechtzukommen, möchte man für sich bleiben. Sam Coomes schließt plakativ an, wenn er sich auf seinem Debüt als Beelzebub gibt. "Bugger me" huldigt dieser alten Szene, zumindest nach außen. Und ist dabei so eigenartig, kauzig und garstig, dass es schier überfordert. Ästhetik der Gruft hin oder her.

Sonst spielt Coomes mit seiner Ex-Frau im Duo Quasi. Quasi machen Indie, der bei den Beatles beginnt und gitarrenverliebt bei Pavement endet. Dabei ärgern sie sich über den Kommerz der Weihnachtsfeier. Das kann etwas fad geraten. Ihr "Featuring birds" ist hingegen eine wahre Großtat, weil es so schonungslos poltert und knarzt und alles kaputt klingt, die Instrumente, die Stimmen. Sam Coomes sollte nicht unterschätzt werden, auch wenn ein Solo-Debüt mit 52 Jahren eigenartig ist. Andererseits passt das Eigenartige zum Album. Außerdem war er auf Tour oder im Studio mit Built To Spill, Elliott Smith und The Go-Betweens. Irgendetwas muss er somit können.

Das Seltsame an "Bugger me" überrascht bei diesem Hintergrund weniger. Die prägenden Synthesizer haben weniger von Synthesizern, sie klingen nach elektronischen Orgeln oder versiegen in verstörendem Rauschen. Weil Coomes mit diesen Tasten eine Mimikry vollzieht, sie werden kirchensakral, obwohl sie aus der Unterwelt schallen, treiben rockig voran, als wären es Gitarren oder verlieren sich in einem Krautrock. Coomes kombiniert Referenzen, die auf Anhieb nicht zusammenpassen, etwa Anna von Hausswolff, The Doors, John Frusciante und Vanilla Fudge. Aus dem Mischmasch erwächst, was in dieser Form noch nicht gehört wurde.

"Stride on" eröffnet mit dem muffigem Gothic-Punk der frühen Danzig-Misfits, gepaart mit etwas Rockabilly. "Shined it on lobotomy eggs" verwildert in einem psychedelischen Nirgendwo. Die beiden "The tucchus"-Stücke sprechen aus der Gruft, ähnlich wie der Computer in Radioheads "Fitter happier". Das Titelstück gruselt als Blues, in dem sich die Synthesizer kontinuierlich verzerren, bis das Lied in eine Kakophonie explodiert, wie man sie sonst von jüngeren Noise-Bands wie Health oder Crystal Castles kennt. "Cruisin thru just like the rest" übermannt noch mehr Chaos, Bässe wummern heftig, noch heftiger die merkwürdigen Synthesizer und Coomes frönt einen eigenartigen, düsteren Untergangshumor, der zu einem Walzer mutiert.

"Bugger me" ist stellenweise derart durcheinander und verschroben, dass es anstrengt. Aber es lohnt sich. Coomes' Album schert sich so wenig um Konventionen, dass es sich darauf einstellt von nur wenigen gehört zu werden. Das ist zeitgleich mutig und größenwahnsinnig. Hatte er Glück, dass es derart gut geriet? Zumindest Edward Scissorhands applaudiert.

(Maximilian Ginter)

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Highlights

  • Stride on
  • Shined it on / Lobotomy eggs
  • Bugger me

Tracklist

  1. Stride on
  2. Though times in plastic land / Everybody loves a war
  3. Shined it on / Lobotomy eggs
  4. The tucchus pt. I
  5. Cruisin thru / Just like the rest
  6. Fordana
  7. Corpse rider
  8. The tucchus pt. II
  9. Bugger me

Gesamtspielzeit: 41:56 min.

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Jennifer

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2016-08-10 21:18:46 Uhr
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