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Human Abfall - Form und Zweck

Human Abfall- Form und Zweck

Sounds Of Subterrania / Cargo
VÖ: 29.04.2016

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Über die Aluhutschnur

"Auf ner Skala von eins bis zehn bist Du nur ne Drei / Auf ner Skala von eins bis zehn warst Du mal ne Zwei / Auf ner Skala von eins bis zehn wirst Du mal ne Fünf / Aber das war's dann." Klingt nach einer schlechten bis mittelprächtigen Prognose auf dem Bewertungsstrahl von Plattentests.de – ist aber eine von vielen metaphorischen Beschreibungsebenen, mit denen Human Abfall die meist unwirtliche Realität möglichst wirksam deformieren. Schon der "Tanztee von unten", zu dem die Stuttgarter auf ihrem Debüt luden, war eine bittere Veranstaltung: Gereicht wurden chronischer finanzieller Ruin, Grenzerfahrungen in der Arbeitsagentur und imaginierte Verstümmelungen, während im Hintergrund übellauniger, dunkelgrauer Punkrock durch den Reißwolf rasselte. "Psychohygiene fünf minus"? Bestenfalls mit Rücksicht auf die Eltern.

Inzwischen sollte man der Bezeichnung Punkrock jedoch dringend ein "Post" voranstellen, da Human Abfall diesmal verstärkt mit grummeligem Twang und oft unrund laufenden Rhythmen bockig gegen selbstgewählte Verdummung oder stumpfe nationalistische Tendenzen zu Felde ziehen. Sänger Flávio Bacon zerkaut dazu die Wörter wie ein dadaistisch freidrehender Schorsch Kamerun mit Tourette im Endstadium, und bricht sich seine Wut auf den Pegida-Irrsinn in "Montags" Bahn, heißt es sogar hämisch "Danke, Bomber Harris" statt bloß "Deutschland, Arschloch, fick Dich". Das empört nicht nur den Zentralrat der Aluhutträger, dem Bacon zuvor schon ein "Am Ende des Chemtrails wartet kein Gold auf Dich" entgegenblaffte. Nur falls hier jemand der Ansicht sein sollte, das Rätsel um das Denken sei gelöst.

Das Gegenteil ist nämlich der Fall – zumindest solange große Teile der Bevölkerung es für eine Option halten, mit ausgeschaltetem Gehirn vor Unterhaltungsmedien zu verdämmern, wie das um ein psychedelisch kreisendes Riff herumgebaute "Bequeme Stellung" beklagt. Und so rütteln Human Abfall den Hörer mit ihren stachligen, verqueren Songs nachhaltig auf, verlegen in "Es ist, wie es ist" das trostlose Leeds der frühen Gang Of Four zu schrill zerplatzenden Gitarren ohne Angabe von Gründen nach Detroit und lassen bei "Realität verpflichtet" in einer Art albtraumhaftem Talking-Blues einen ähnlich bizarren Bewusstseinsstrom vorbeiziehen wie einst Adolar, als diese "Kleinlichkeiten im ersten Stock" verhandelten. Von wo aus es wiederum nicht weit in den Keller ist – und Bacon und Kollegen scheppern beim Müllrunterbringen ordentlich mit dem Eimer.

Genau so klingt es jedenfalls, wenn Gitarrist JFK Moon sich beim nicht nur im Titel dem 1978er Devo-Erstling zunickenden "Q: Wo ist Franz? A: Im Dschihad." tonlos die Fingerkuppen blutig schabt und die präzisen Leads von "RTLM" mit Verzögerung in einen schleifenden Zusammenprall der Instrumente hineinexplodieren. Der angemessen aschfahle Soundtrack zu islamistischer Radikalisierung verkrachter Existenzen und zu afrikanischen Radiostationen, die unverhohlen zum Völkermord aufrufen – kein Wunder, dass Bacon gegen diese multiplen Scheußlichkeiten oft nur manisch anbellen kann und seine Band mit dem bedauernswerten Punkrock so lange Schlitten fährt, bis man ihn kaum mehr wiedererkennt. Oder wie Human Abfall es ausdrücken: "Heute seh ich aus wie Dresden '45". Doch wenigstens "Form und Zweck" hört sich viel besser an.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Bequeme Stellung
  • Es ist, wie es ist
  • RTLM
  • Q: Wo ist Franz? A: Im Dschihad.

Tracklist

  1. Knietief im Falschen
  2. Bequeme Stellung
  3. Denken lernen?!
  4. Montags
  5. Es ist, wie es ist
  6. Realismus verpflichtet
  7. Von A nach B
  8. RTLM
  9. Neu leben
  10. Q: Wo ist Franz? A: Im Dschihad.
  11. Form und Zweck
  12. Zurück zum Brutalismus
  13. Wir hatten so viele Pläne

Gesamtspielzeit: 36:53 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Franz Schinken
2016-05-25 13:02:49 Uhr
Mir völlig unbegreiflich, warum diese Combo so gehypt wird. Langweilig, anstrengend und sowas von 1981. Die Texte sind nicht dada, sondern völlig gaga. Bedeutungsschwangeres Gesülze von verkrachten Existenzen; unfähig, einen Nagel in die Wand zu schlagen, aber philosophisch unterwegs... Ich hab diese Spackencombo so satt!
Human Abfall
2016-05-24 22:54:11 Uhr
Beachtet unseren Deppenleerzeichen-Bandnamen, der suggerieren soll, dass wir voll tauglich, ja, WILLIG sind für den veramerikanisierten deutschen Musik-Zirkus!

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2016-05-24 22:30:39 Uhr
Frisch rezensiert.

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