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James Blake - The colour in anything

James Blake- The colour in anything

Polydor / Universal
VÖ: 20.05.2016

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Bis die Wolken endlich lila sind

"I can't believe this / You don't wanna see me." Es sind die ersten Zeilen, die auf James Blakes drittem Werk "The colour in anything" ausgesprochen werden. Er singt sie im verhuscht-verstrahlten Opener "Radio silence", was für lange Zeit auch als der offizielle Albumtitel galt – Anfang 2015 war das. Blake verkündete damals, dass der Nachfolger seines selbstbetitelten Debüts und von "Overgrown" in ein paar Monaten erscheinen würde. Aus ein paar Monaten wurde über ein Jahr, und doch ging es dann plötzlich ganz schnell: Am 5. Mai 2016 teilte er mit, dass "The colour in anything" nur wenige Stunden später digital veröffentlicht werden sollte. Irgendwie denkt man, dass das wohl der einfachste Weg für ihn war. Aber stimmt das wirklich?

Denn die Erwartungen an Blake wuchsen durch die spontane Ankündigung ins Unermessliche. In der vielleicht spannendsten Woche des Musikjahres 2016, in welcher auch Beyoncé, Radiohead oder Anohni ihre Alben auf den Markt brachten – um nur ein paar zu nennen –, kündigte sich nun also auch der ehemals als Wunderkind bezeichnete Brite an, der mit seiner elektronisch-klaren Musik nicht nur die Kritik und das Publikum zu begeistern wusste, sondern auch seine Kollegen. Blake wurde gefeatured von Wu-Tang-Clan-Oberhaupt RZA und HipHop-Liebling Chance The Rapper, zur Unterstützung eingeladen von der eben genannten Beyoncé Knowles, gesampelt von Drake, gecovert von Lorde, verehrt von Madonna und Kanye West – die Liste ließe sich noch ewig weiterführen. "I can't believe this / You don't wanna see me" könnte im Zusammenhang mit dem Londoner also kaum weniger stimmen. Alle wollen sie ihn sehen. Und vor allem hören.

Mit "The colour in anything" zieht Blake nun die logische Konsequenz aus seinem bisherigen Schaffen. Beeindruckten sowohl "James Blake" als auch "Overgrown" vor allem durch ihre simple Kühle und fast schon sterile Produktion, ist das dritte Album die gelungene Metamorphose eines jungen Mannes, der sich nicht mehr hinter seinen Ängsten und Unsicherheiten verstecken will. Oder sollte. "The colour in anything" ist wärmer als die beiden Vorgänger, voller, breiter – aber wirklich bunter? Noch nicht. Aber erstmals in seiner Karriere kämpft Blake gegen das Grau und die Kälte an, statt sich damit zu arrangieren. Auf dem Cover ist er die dunkelste Gestalt, während hinter ihm langsam die Farben durchdringen. Es ist eine Anstrengung, die es wert ist, dass man sie auf sich nimmt. Denn eines wussten auch schon Florence Welch und Bob Dylan: Am dunkelsten ist es immer kurz vor der Dämmerung.

Vorbei sind die Zeiten, in denen Blake von der Qual sang, mit 18 noch Jungfrau zu sein, in denen er alleine war und sich mit seiner Einsamkeit abgefunden hatte. Er ist mittlerweile 27 Jahre alt, weder alleine noch einsam – von den üblichen Beziehungsproblematiken singt er auf "The colour in anything" dennoch. Und setzt dabei stellenweise auf minimalistische Mittel: Die Piano-Ballade "F.o.r.e.v.e.r." reiht sich ein in Liebeskummer-Stücke der Marke "Give me my month" oder auch "Enough thunder", mit einem am Ende der gemeinsamen Zeit gereiften Sänger: "I noticed just how slow the killer bee's wings beat / And how wonderful, how wonderful / How wonderful you are." Auch der Titeltrack verabschiedet sich von der Liebe, die mittlerweile mehr Leid geworden ist, während das tatsächlich sanft fließende "Waves know shores" mitsamt Bläser-Unterstützung einen positiveren Eindruck der Zweisamkeit vermittelt: "I suggest you love like love's no loss", singt Blake am Ende. Und doch klingt es fast, als würde er flehen.

Der Kampf gegen das Grau – oder auch das Warten, bis die dunkle Nacht vorbei ist und die Wolken endlich, endlich lila werden –, dehnt sich auf fast 77 Minuten Spielzeit aus. Zu viel für manchen Hörer. Und ja, Blakes bis dato längstes Album nimmt sich Zeit. Die braucht es. Es braucht die Zeit, um die Verwirrung über das gerade stattfindende Glück nachzuvollziehen, das er im mit Frank Ocean geschriebenen "My willing heart" zaghaft zu zelebrieren versucht. Es braucht die Zeit, um das Ende seiner Beziehung mit Warpaints Theresa Wayman begreifen zu können, das er in "Modern soul" herbeizusehnen scheint, wenn er singt: "I know a crossroads where I see them / I want it to be over." Es braucht die Zeit, um in "Two men down", dem mit sechs Minuten längsten Stück des Albums, den Kontrast zu halten zwischen der fast schon euphorischen Instrumentierung und der niederschmetternden Erkenntnis, dass es da einen anderen Mann gibt – und damit fertigzuwerden.

Obwohl das Album von Rick Rubin produziert wurde, half bei besagtem "Two men down" niemand Geringeres als Justin Vernon hinter den Reglern aus, dessen Band Bon Iver im wohl offensichtlichsten Highlight "I need a forest fire" vertreten ist. Es ist ein vertonter Neubeginn. Vernon und Blake verbrennen die Reste von dem, was einmal gewesen ist, und starten frisch. Langsam bauen sie das Gerüst auf, ziehen eine Wand nach der anderen hoch und richten sich häuslich ein. Es ist ein melancholischer Abschied vom Vertrauten, mehr Erleichterung denn Wehmut – und steht damit im Grunde stellvertretend für den Rest des Albums, auf dem Blake die Probleme von früher hinter sich lässt. Denn eigentlich kann er natürlich schon glauben, dass sein Gegenüber ihn nicht mehr sehen will. Er will es ja auch nicht mehr. Er ist daran gewachsen, auch an der Person selbst, das wird spätestens am Schluss deutlich, in der letzten Zeile des letzten Stücks, der A-capella-Ballade "Meet you in the maze". Da singt Blake, trotz Vocoder-Effekt so klar wie eh und je, einen der vielleicht wichtigsten Sätze seines Lebens: "Music can't be everything."

(Jennifer Depner)

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Highlights

  • F.o.r.e.v.e.r.
  • Waves know shores
  • My willing heart
  • I need a forest fire (feat. Bon Iver)
  • Modern soul

Tracklist

  1. Radio silence
  2. Points
  3. Love me in whatever way
  4. Timeless
  5. F.o.r.e.v.e.r.
  6. Put that away and talk to me
  7. I hope my life (1-800 mix)
  8. Waves know shores
  9. My willing heart
  10. Choose me
  11. I need a forest fire (feat. Bon Iver)
  12. Noise above our heads
  13. The colour in anything
  14. Two men down
  15. Modern soul
  16. Always
  17. Meet you in the maze

Gesamtspielzeit: 76:24 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
@Mister Wix
2017-03-27 14:56:19 Uhr
nö, nix zu sehen.

Mister X

Postings: 3401

Registriert seit 30.10.2013

2017-03-27 14:53:07 Uhr
Portman nackt ?

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26286

Registriert seit 08.01.2012

2017-03-21 20:06:52 Uhr - Newsbeitrag
+++ James Blake präsentiert neues Video zu ‚My Willing Heart‘ – Hauptdarstellerin: Natalie Portman +++




James Blake präsentiert sein gefühlvolles neues Video zu ,My Willing Heart’. Der Track stammt aus seinem – von Kritikern hochgepriesenen ­– dritten Album ‘The Colour In Anything’.

James Blake produzierte diesen selber, in Zusammenarbeit mit achtfachen Grammy-Gewinner Rick Rubin.



Der Song handelt (in alter James Blake-Manier) von Sehnsucht und Herzschmerz. Im Video wird ein anderes Gefühl in den Vordergrund gerückt: die mütterliche Vorfreude.

Das von Anna Rose Holmer produzierte Video zentriert sich um die hochschwangere Natalie Portman, nur Tage bevor ihre Tochter Amalia (*22. Februar 2017) zur Welt kam.


Schaut Euch das Video hier an:

https://www.youtube.com/watch?v=otYHF8jaLjw


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Diesen Sommer tritt James Blake in Dänemark, Polen und Belgien auf, sowie in Italien als Vorband der Kultband Radiohead. Nebenbei arbeitet er an neuem Material.

Fiep()
2016-12-09 10:07:11 Uhr
Find den Erstling noch immer am interessantesten. Vom Songwriting her ist die Overgrown aber wohl besser. Was The Colour In Anything angeht... ich hab es bisher nicht geschafft mir eine richtige Meinung zu bilden. 1. ist sie wirklich etwas sehr lang , 2. sind die Tracks weder so exzentrisch wie auf der ersten, noch so rund komponiert wie auf der 2.

vielleicht klickt sie ja noch, aber derzeit für mich die schwächste der 3.

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 9320

Registriert seit 26.02.2016

2016-12-08 23:05:46 Uhr
Mir gefällt die "Overgrown" am besten. "The Colour In Anything" hat tolle Songs, ist aber einfach zu lang.
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