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Amorphis - Under the red cloud

Amorphis- Under the red cloud

Nuclear Blast / Warner
VÖ: 04.09.2015

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Fin(n)ish

Irgendwann, wenn es richtig gut läuft, kommt eine Band an einen Punkt, an dem sie ihren Stil, ihre ureigene Signatur gefunden hat. Wenn sich bis dahin das Haifischbecken namens Musikbusiness nicht als stärker erwiesen hat, aber das nur am Rande. Jedenfalls gibt es trotz aller Widrigkeiten immer noch jede Menge Gruppen, die für sich behaupten können: "Yep, das ist unser Sound, genau so müssen wir klingen." Amorphis ist so eine Band. Zumindest, seit die Finnen sich auf das Schreiben guter Songs konzentrieren können anstatt mal wieder einen neuen Frontmann zu suchen. Denn Fakt ist, und das sei nicht das erste Mal an dieser Stelle erwähnt, seit Tomi Joutsen 2006 den Posten am Mikrophon übernommen hat, bewegen sich Amorphis mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit in einem Spannungsfeld zwischen dem rüden Death Metal der Anfangsjahre und folkig angehauchten Klängen der Neuzeit. Folk-Death, sozusagen.

Wie schon beim letzten Album "Circle" stellt sich also auch bei "Under the red cloud", dem zwölften Langspieler der Finnen, die Frage: "Growlt er noch? Wenn ja, wie oft?" Die Antwort: Aber natürlich doch. Denn natürlich bleibt der Death Metal Bestandteil der bandeigenen DNA. Auch oder gerade weil der Titeltrack mit einem wunderschönen Piano-Lauf beginnt, dann zunächst wunderbar melancholisch die Arme ausbreitet, bevor Joutsen erstmalig die Stimme in den Keller schickt. Und mit sich selbst ein Duett aus fragilen Clean Vocals und brutalen Growls startet. Beim folgenden "The four wise ones" wollen es die Finnen allerdings so richtig wissen. Black-Metal-Rasereien (ja, richtig gelesen!) halten sich mit schleppenden Death-Sequenzen die Waage, während zartes folkiges Geklimper zarte Fäden spinnt, um diese beiden Extreme zu verknüpfen. Und der Sänger mit den beeindruckenden Dreadlocks mal eben die begeisterndste Performance seit seinem Einstieg 2006 abliefert.

Ebenso ruppig gestalten sich "The skull" und "Death of a king", wobei die Brutalität immer wieder durch großartige Melodien und feine Einfälle wie die Sitar bei "Death of a king" aufgelockert wird. Auch mit dem altehrwürdigen indischen Instrument kann man also feiste Riffs produzieren. Dass Amorphis aber trotz alledem immer noch ein Gespür für Eingängigkeit besitzen, zeigt die Single "Sacrifice", die gut und gerne als radiotauglicher Rock mit jeder Menge Ecken und Kanten durchgehen könnte. Ansonsten jedoch bleiben der Pop-Appeal, die fast schon zu sehr die Ohren schmeichelnden Songs im Schrank. Im Gegenteil, "Enemy of the gates" begeistert mit einem treibendem Riff in den Strophen, dazu mit dezenten Flötentönen, dass leise, wirklich nur dezente Erinnerungen an die letzten Großtaten von Opeth geweckt werden. Und in der Tat wurde "Under the red cloud" von Jens Bogren produziert, der in den letzten Jahren diversen Großkunden wie Moonspell, Kreator, Paradise Lost oder eben Opeth zu einem für heutige Verhältnisse überragenden, weil luftigem und doch druckvollem Sound verhalf.

"Überragend" ist auch das einzige Attribut, was nach fünfzig höchst beeindruckenden Minuten bleibt. Denn Amorphis machen auf "Under the red cloud" nicht nur keine Fehler, ihnen gelingt es auch wie nur selten in ihrer Karriere, jeden einzelnen Song zu einer beeindruckenden Reise auszuformulieren. Während die frühen Jahre vor allem textlich wegen der sich über mehrere Alben erstreckenden Vertonung des finnischen Nationalepos, der Kalevala, beeindruckten, ist es heutzutage völlig egal, wie "Under the red cloud" aufgenommen wurde. Denn egal ob unter dem Kopfhörer oder über sündhaft teure Lautsprecher, jeder Durchlauf fördert neue Facetten zutage. Eines jedoch ist anders. Denn während zuvor üblicherweise auf einen Death-Metal- ein Folk-Rock-Song folgte, mischen die Finnen mit "Under the red cloud" endlich beide vermeintlich unvereinbare Stile zusammen. Das Ergebnis ist ein faszinierendes Album, dessen einzige Schublade "Metal" sein dürfte. Großartig.

(Markus Bellmann)

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Highlights

  • The four wise ones
  • Death of a king
  • Sacrifice
  • Enemy at the gates

Tracklist

  1. Under the red cloud
  2. The four wise ones
  3. Bad blood
  4. The skull
  5. Death of a king
  6. Sacrifice
  7. Dark path
  8. Enemy at the gates
  9. Tree of ages
  10. White night

Gesamtspielzeit: 50:01 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
10/10
2018-04-21 19:29:21 Uhr
Größte WTF-Platte der (Death)-Metalgeschichte.

Autotomate

Postings: 6174

Registriert seit 25.10.2014

2015-10-19 12:19:48 Uhr
So fettig, dass man nach dem Hören duschen möchte. Zugegeben, der Unterhaltungswert ist recht hoch, und wenn man sich zwischendurch immer mal wieder den Kitsch aus der Kutte schüttelt, findet man auch genügend Kleinigkeiten, die zum wiederholten Abspielen einladen. Deswegen komm ich von dem Album auch nicht richtig los. Dennoch ist das häufig grenzwertig - ich höre es sozusagen mit der Faszination des Grauens und in ständiger Fluchtbereitschaft. Tomi Joutsens vielgelobter Hardrock-Bariton ist dabei nur die offensichtlichste der mir auf den Sack gehenden Zutaten. Und apropos: Als Mahlzeit zum Album empfiehlt der Maître eine in Guiness-Sirup geschmorte Kohlroulade mit Couscous-Knödeln und allerlei Kostbarkeiten von hinterm Herd. Guten Appetit!
Sven_
2015-10-08 10:14:10 Uhr
Klingt mir zu geleckt. Die "Tales" war 1994 schon ein Husarenstück... Death Metal plus Doors.
Andy
2015-10-06 16:48:47 Uhr
Super Album! Beste Metal Band ever

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2015-10-06 16:22:16 Uhr
Frisch rezensiert!

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