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Publicist UK - Forgive yourself

Publicist UK- Forgive yourself

Relapse / Rough Trade
VÖ: 21.08.2015

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Disziplinlos

Zum Teil frustriert von der Entwicklung ihrer vorherigen Bands – oder besser, weil tauglicher für die Legendenbildung: Verzaubert von David Obuchowskis herumgereichten Song-Skeletten, gründen vier nicht mehr ganz so junge Männer Publicist UK. Bislang waren die Musiker fast durchweg dem Schlagwort Metal zuzuordnen, die acht letzten Bandnamen der Referenzliste weiter unten geben nur einen Teil ihrer Projekte wieder. Egal ob Thrash, Progressive, Instrumental: Musikalisch stand jedenfalls eher der Tumult im Vordergrund. Auf ihrem Debütalbum "Forgive yourself" verändern Publicist UK die sportliche Herausforderung und überschauen ihren Tellerrand. Die Veränderung ihrer Disziplin führt hinein in druckvollen Gothrock, New Wave und Postpunk, ohne dass die Beteiligten ihre metallenen Wurzeln vollständig ausreißen.

Denn die nachwirkenden Gitarrenklänge wie zum Ende von "Blood relative" oder "I wish you'd never gone to school" schöpfen weiterhin aus ihrer umfangreichen Metal-Sozialisation. Das Quartett, welches sich im Verlauf des Aufnahmeprozesses kaum je zu Gesicht bekam, sondern stattdessen die Soundfiles via Dropbox ausgetauscht hat, dockt immer wieder beiläufig an unterschiedlichste, gitarrenbasierte Genres an. David Wittes Drum-Stil in "Slow dancing to this bitter end" lässt in seiner Hektik keinen Raum und erinnert damit an versierten Postpunk, dem sich auch Beastmilk verschrieben haben. Obgleich von jeglicher Keyboard-Orientierung befreit, scheint die sinistre Atmosphäre von The Sisters Of Mercy hin und wieder durch. "Canary" beispielsweise verfängt mit einem unprätentiösen Gothic-Vibe, bis das Stück unvermittelt in die ruppige Alternative-Rock-Präzision à la Deftones lospeitscht, um mit den Zeilen "No transcendence / No gnosis / Give me the world as it is" weltliche Orientierung einzufordern.

Publicist UK, vor allem die Stimme des Sängers Zachary Lipez, fallen mit genügend Pathos und textlich gleichsam mit der Tür ins Haus, um die schwermütigen, weltumspannenden Themen in Szene zu setzen: von Umweltzerstörung bis Drogenmissbrauch, von politischer Kälte und fehlgehender, zur theatralischen Aufführung geeigneter Kommunikation, wie sie in "Slow dancing to this bitter end" in drastischer Ironie beleuchtet wird: "The weather is changing / Dialogue is stagey / But the intent, the intent is pure / We speak of purity, haircuts an atrocity: a reminder that every scene's a bore." Nicht jede Zeile auf "Forgive yourself" ist von einer Schärfe, die die negativen Aspekte der Realität treffend abbildet. Hin und wieder drängelt sich die Moralkeule derart quer ins Bild, dass der Blick auf die eigentliche Aussage aufgrund unpassend wirkender Begriffe verstellt wird. Lipez singt beispielhaft im Opener "Cowards": "We were born to lick boots / And pretend it was steak / It's not hard in this world / To love what you hate." Und trotzdem: Die Texte sind zu großen Teilen von kritischer Substanz durchdrungen und von essenzieller, gesellschaftspolitischer Tragweite. Lipez' bedrohliches Timbre bewirkt in jedem Fall, dass jede Silbe mit einer elementaren Drastik aufgeladen ist, die Ian Curtis und Glenn Danzig gleichermaßen in Erinnerung zu rufen weiß. Problemlos gelingt Publicist UK daher der Ausflug in fachfremde Disziplinen. Und zu verzeihen sind die wenigen textlichen Engpässe sowieso. Schließlich werden im Bereich Metal, ihrem angestammten Metier, die Worte meistens eh bis zur Unkenntlichkeit niedergebrüllt.

(Henrik Beeke)

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Highlights

  • Slow dancing to this bitter end
  • Blood relative
  • Canary

Tracklist

  1. Cowards
  2. Slow dancing to this bitter end
  3. Levitate the Pentagon
  4. Blood relative
  5. I wish you'd never gone to school
  6. Canary
  7. Telegraphing
  8. You are the stars
  9. Away

Gesamtspielzeit: 39:13 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Achim

Postings: 6287

Registriert seit 13.06.2013

2015-08-27 10:52:56 Uhr
liest sich interessant. da werde ich auf jeden fall reinhören.

Achim.
.
2015-08-25 22:22:57 Uhr
Die Review von Henrik Beeke geht gerade so (durch), aber man sollte vermutlich dankbar sein, dass Thomas Pilgrim sich nicht an dieser Band vergangen hat, die verstanden hat, wo 2015 die Sisters of Mercy, Heavens und The Mission hätten sein können. Die Gnade der späten Geburt ist der "Sorry ich habe es nicht verstanden"-Kodex der PT-Schreiber in diesem Genre.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26281

Registriert seit 08.01.2012

2015-08-25 21:51:39 Uhr
Frisch rezensiert!

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