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The Vintage Caravan - Arrival

The Vintage Caravan- Arrival

Nuclear Blast / Warner
VÖ: 15.05.2015

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Die Jugend von damals

Gibt es eigentlich noch tatsächlich Menschen, die Zweifel daran haben, dass eine abgelegene Region wie Island eine äußerst lebendige Musikszene vorweisen kann? Denn bei gerade mal 320.000 Einwohnern eine derartige stilistische Bandbreite zwischen ätherischem Pop wie Björk oder Sigur Rós und ruppigem Metal wie Sólstafir aufzuweisen, das hat schon was. Das jüngste Beispiel für diese pulsierende, hochkreative Szene sind The Vintage Caravan. Wobei der Begriff "jung" Auslegungssache ist: Einerseits haben die drei Burschen tatsächlich noch die Eierschalen hinter den Ohren – Frontmann Óskar Lobi Ágústsson zählte bei Bandgründung 2006 gerade einmal knappe 12 Lenze –, andererseits frönen die, nun ja, Herren dem feinsten abgehangenen Blues-/Retrorock. Motto: je Siebziger, desto besser.

Doch diese Lästerei bleibt bei den ersten Klängen von "Arrival", dem tatsächlich schon dritten Studioalbum, umgehend im Halse stecken. Sind das tatsächlich Zwanzigjährige, die hier so unbekümmert und frisch durch die Psychedelic-Ecke in Vatis Plattenschrank räubern? Ja, in der Tat. Ruppig-erdig bollern die Drums, dumpf grollt der Bass – alleine die nach heutigen Maßstäben völlig anachronistische Lo-Fi-Produktion macht Spaß. Aber "Last day of light" lebt nicht nur vom vermeintlichen Vintage-Kult, sondern ist schlicht hervorragender Blues-Rock, der nicht nur zum Abtauchen und Wegschweben mehr auffordert als einlädt, sondern auch auf technischem Top-Niveau eingespielt ist. Und die Frage nach dem Pilzreichtum in der isländischen Flora vermutlich zur meist gestellten Interview-Frage erhebt.

Aber Moment mal: Psychedelischer Blues-Rock, blutjunge Band, da war doch was? Richtig, der Vergleich mit Blues Pills drängt sich förmlich auf. Und ist doch nur teilweise zutreffend. Denn trotz bereits gemeinsam absolvierter Tour pflegen die Isländer eher die hardrockigen Wurzeln, tauchen immer wieder Led Zeppelin, Black Sabbath oder Wishbone Ash als Paten auf, während die multinationalen Blues Pills alleine schon qua Herkunft ihren ganz eigenen Eklektizismus pflegen. Dass das weiß Gott nicht schlechter sein muss, beweisen das ruppige "Babylon" oder das biestig treibende "Shaken beliefs", bei dem die drei Jungspunde so aus sich herausgehen, so befreit aufspielen, als wären sie tatsächlich bereits in der von ihnen so geliebten Epoche aufgewachsen.

Und doch hat "Arrival" einen kleinen Nachteil. Denn so unglaublich es klingen mag, die große Magie der heruntersackenden Unterkiefer, die den Vorgänger "Voyage" begleitete, ist nicht mehr zu verzeichnen. Selbstzitate statt Weiterentwicklung also? Unsinn. Denn natürlich wäre eine solche Erwartungshaltung geradezu grotesk überzogen. Nein, diese Platte besticht vor allem durch die von Zwanzigjährigen wohl kaum zu erwartende Routine, setzt dabei jedoch immer wieder mitreißende Reizpunkte – kann im Ernst jemand bei "Crazy horses" ruhig sitzen bleiben? Blues Pills können für sich den medienwirksameren Hype verbuchen. Doch The Vintage Caravan sind bereits einen Schritt weiter, galt es doch, einem Insidertipp und einem hoch gelobten Europa-Debüt ein überzeugendes Drittwerk folgen zu lassen. Die Isländer nehmen die Hürde mit spielerischer Leichtigkeit, weil sie sich eben nicht auf ihren Lorbeeren der ersten Platten ausgeruht haben. Ganz ausgeruht allerdings dürfen The Vintage Caravan verfolgen, welche Antwort der Konkurrenz auf diese glänzende Reise in die Vergangenheit einfällt.

(Markus Bellmann)

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Highlights

  • Last day of light
  • Shaken beliefs
  • Crazy horses

Tracklist

  1. Last day of light
  2. Monolith
  3. Babylon
  4. Eclipsed
  5. Shaken beliefs
  6. Crazy horses
  7. Sandwalker
  8. Innerverse
  9. Carousel
  10. Winter queen

Gesamtspielzeit: 54:41 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Lopez
2015-12-23 12:23:43 Uhr
Das Album "Voyage" ist wesentlich stärker und steht für mich auf einer Stufe mit dem grandiosen Debut von Wolfmother. "Arrival" ist aber auch stärker als alles was Wolfmother nach ihrem Debut verbrochen haben.

Jennifer

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 4711

Registriert seit 14.05.2013

2015-06-17 22:12:01 Uhr
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