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Portico - Living fields

Portico- Living fields

Ninja Tune / Rough Trade
VÖ: 03.04.2015

Unsere Bewertung: 4/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Ohne Hang bergab

Mit "Isla" haben Portico Quartet zeitgenössischem Jazz einer wundersamen Verjüngungskur unterzogen, indem sie dieses Genre stilistisch zwischen Philip Glass und Steve Reich einerseits und The Cinematic Orchestra andererseits verpflanzt haben. Der Ausstieg Nick Mulveys im Jahre 2011 konnte jedoch kompensiert werden. Der Hang, das stilprägende Perkussionsinstrument der Londoner, erhielt in technisch manipulierter Form weiterhin Einzug in ihren Sound. Doch jener Hang ist mittlerweile ebenso Geschichte wie das von Weather Report beeinflusste Saxophon. Im neuen Dunst von Elektronik und Beats kommt dem Instrument keine tragende Rolle mehr zu, ist verzerrt und nur noch marginal vorhanden. Dementsprechend kam die Formation weder um einen Neuanfang noch um einen Namenswechsel herum.

Vom Portico Quartet zu Portico: Eine schöne phonologische Verschlankung. Damit einhergehend: Der Wechsel vom eher weltmusikalisch geprägten Label World Music Records hin zu Ninja Tune, deren Spezialisierung im nischigen Dasein elektronischer Klänge verortet ist. Die Songlängen wurden über die Jahre hin zu einer schnörkellosen Kompaktheit eingedampft und sind auf "Living fields" kürzer denn je. Leider muss an das neue Werk eher die Frage gestellt werden, was eingebüßt wurde, anstatt zu ergründen, was gewonnen wurde.

Portico begegnen dem Wegfall grundlegender Pfeiler ihrer jazzigen Stimmungswelten, indem sie mit Joe Newman von Alt-J, Jamie Woon und Label-Kollege Jono McCleery gleich drei Sänger mit ins Boot geholt haben. Der flächendeckend integrierte Gesang wirkt jedoch leider wie ein artifizieller Veruch, heruntergetakteten R'n'B oder wahlweise konturlosen Indie-Pop mit elementarem Leidensdruck in ein zuckerwattiges Elektro-Ambient-Klangbad eintauchen zu lassen. Paradoxerweise entsteht dieser Eindruck, obwohl der mit anheimelnden Melodien ausgestattete Gesang den Wohlfühl-Elektro stimmig anreichert bis überlagert. Und obwohl die Drum Patterns den Rhythmus wohlfeil ergänzen, wie in "Bright luck", um daraus eine feine Verbindung aus Beat und Rhythmik entstehen zu lassen. Es bleibt ein fahler Nachklang im Ohr, obwohl jeder der drei Sänger auf unterschiedliche Weise in gewohntem Umfeld innovative Kräfte zu bündeln vermag.

Zunächst gibt das Zusammenwirken von Gesang und Lyrics Rätsel auf. Introspektive Aufarbeitung ist der gemeinsame Nenner der Texte, die einfühlsam von unregelmäßig pulsierender Elektronik unterlegt wird. Die Lyrics leiden größtenteils an einem Zuviel an bedeutungsschwangerem Verlorensein. In "Atacama" gipfelt eine Trennungskiste in zartem Aufbegehren zu einem konsequenterweise vereinsamten Blechbläser: "And to know I truly lost you / I must find you." Im Titeltrack, gesungen von McCleery, geben einzelne Textfragmente Aufschluss über schmerzliche Sehnsucht: "Feeling peace is eternity." Es sind weniger die Worte, die die Stimmung einfangen, als es vielmehr die Art und Weise des Gesangs ist, welcher mittels durchweg harmonischer Strukturen aufschlussreiche Impulse setzt. Die Intonation übertrumpft aber den lyrischen Gehalt. "Living fields" entwickelt gerade gesanglich die Idee, die Form über den Inhalt zu stellen.

Kollege Sennfelder zeichnet in seiner Rezension zu The Acids "Liminal" nach, wie eine hippe Band den aktuellen Zeitgeist einfangen könne. Er rät er ihr zu einer "Verquickung fragmentierter Elektronik mit emotionalem Stimmeinsatz." Genau das passiert hier und könnte den bisher zweifachen Mercury-Prize-Anwärtern Portico zu anhaltendem Erfolg verhelfen. Diesem Album eine gewisse Trägheit zu unterstellen ist also sicher im Sinne der Erfinder, denn das Rezept "Form über Inhalt" manifestiert sich auch in der musikalischen Ausrichtung. Porticos Treiben ist eine kalkulierte Marketing-Maßnahme nicht abzusprechen. Es trifft präzise den Kern des Dilemmas, welches "Living fields" so unausgegoren wirken lässt.

(Henrik Beeke)

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Highlights

  • 101
  • Bright luck

Tracklist

  1. Living fields
  2. 101
  3. Where you are
  4. Atacama
  5. Colour fading
  6. Dissolution
  7. Bright luck
  8. Brittle
  9. Memory of newness

Gesamtspielzeit: 36:25 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Vermilion Smile
2015-07-25 17:47:36 Uhr
Kann dem PT Rezensenten auf keinen Fall folgen, der in Textform das Album gar nicht so übel beschreibt und dann 4/10 gibt, was ja im Prinzip heißt: Finger weg!

Meine Wertung wäre eher zwischen 6-7/10.
Fiep()
2015-03-31 09:19:20 Uhr
Nach 101 hab ich da eine leichte enttäuschung festzustellen. Schon stark anders als der anfangssound...aber vor allem irgendwie eine generische schiene für die heutige zeit. Werd trotzdem mal reinhören

saihttam

Postings: 2360

Registriert seit 15.06.2013

2015-03-31 04:04:48 Uhr
Die noch unter dem Namen Portico Quartet Selbstbetitelte gefiel mir ziemlich gut, auch wenn ich sie nicht so oft gehört habe. Diesmal scheint es ja gehörig mehr Vocalanteile zu geben. Auch eine Möglichkeit den Verlust eines Bandmitglieds wettzumachen. Mal schauen, wie es wird. Die Stimme des Alt-J-Typen ging mir bisher eigentlich immer ein bisschen auf die Nerven.

Cosmig Egg

Postings: 766

Registriert seit 13.06.2013

2015-03-30 22:49:29 Uhr
werde ich mir die nächsten tage mal etwas zu gemüte führen. der song mit joe newman kann schon mal einiges. und ein wunderschön ästhetisches video noch dazu...

https://www.youtube.com/watch?v=5eBCbUxMej4

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26286

Registriert seit 08.01.2012

2015-02-05 18:01:04 Uhr
PORTICO: "101" feat. Joe Newman (alt-J) im Stream

"Living Fields" heißt das neue Album von Portico. Genau genommen ist es ihr Debüt. Denn es ist das erste Album der auf ein Trio geschrumpften Band, die man zuvor vielleicht bereits als Portico Quartett kannte. Portico sind Duncan Bellamy, Milo Fitzpatrick und Jack Wyllie.

Musikalisch landet man bei Portico irgendwo zwischen strukturierten Popsongs und zerfallenem Ambient. In Hall getränkte Klaviere verknüpfen sich mit aufgezeichneten Studiogeräuschen, während der Gesang darüber, wie in einer anderen Atmosphäre schwebt. Knackige Drum Machines punktuieren die Luft um die schimmernden Arpeggios aus Synthies und E-Bässen. Melancholie und Euphorie verschmelzen ineinander. Es bleiben viele Fragezeichen.

"Living Fields" ist nicht zu unterschätzen. Es ist nicht einfach ein weiteres Album einer sehr Ninja Tune-typischen Band von der Insel. Neben den filigranen Sounds besticht "Living Fields" durch umwerfende Gastauftritte von Jono McCleery, Jamie Woon & Joe Newman von alt-J.
Aber es sind auch nicht wirklich "Gastauftritte". Es war eher der Besuch von drei Freunden, die im Studio vorbeischauten und den ambitionierten Songs ihre Stimmen liehen. Joe Newman und Jack Wyllie wuchsen z.B. in derselben Straße in Southamption auf und sind seitdem befreundet. Joe sagt: “I grew up listening to Portico and at Uni I introduced their music to a younger Alt-J. It’s such a pleasure to be collaborating on this new album and i'm looking forward to performing with them down the line!”

"101", einen der drei Songs in dem man Joe Newman hören kann, gibt es jetzt im Stream: https://soundcloud.com/ninja-tune/portico-101-feat-joe-newman-1

"Living Fields" erscheint in Deutschland am 03. April 2015 via Ninja Tune / Rough Trade (Achtung, das Datum hat sich ein wenig nach hinten verschoben).

Tracklist "Living Fields":
01. Living Fields +
02. 101 *
03. Where You Are +
04. Atacama *
05. Colour Fading +
06. Dissolution
07. Bright Luck +
08. Brittle *
09. Memory Of Newness ^
* ft Joe Newman ^ ft Jamie Woon + ft Jono McCleery

Portico live:
11.05.2015 - Uebel&Gefährlich (Hamburg)
12.05.2015 - Alte Feuerwache (Mannheim)
13.05.2015 - Conne Island (Leipzig)
14.05.2015 - Club Bahnhof Ehrenfeld (Köln)
15.05.2015 - Kaserne (CH-Basel)
17.05.2015 - Chelsea (A- Wien)

https://www.facebook.com/porticomusic
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