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Courtney Barnett - Sometimes I sit and think, and sometimes I just sit

Courtney Barnett- Sometimes I sit and think, and sometimes I just sit

Marathon Artists / Rough Trade
VÖ: 20.03.2015

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Lach- und Sachgeschichten

Courtney Barnett ist eine glänzende Geschichtenerzählerin. So viel dürfte wohl jedem klar sein, der die fantastische Songsammlung "The double EP: A sea of split peas" kennt. Auf dieser als Doppel-EP getarnten Veröffentlichung aus dem Jahr 2013 befanden sich mit "History eraser" oder "Avant gardener" in Liedform gegossene Kurzgeschichten, für deren Texte selbst eloquente Poetry-Slammer ihre letzte Hornbrille gegeben hätten. Barnetts Alltagsbetrachtungen sind dabei lakonisch und humorvoll, gehen über bloße Blödelei aber weit hinaus: In jedem Witz steckt ein innerlicher Abgrund, in jeder Pointe wohnt ein kleines bisschen Melancholie. So sang sie 2013 noch: "I take a hit from an asthma puffer / I do it wrong / I was never good at smoking bongs." Mit Humor lassen sich nachweislich also selbst chronische Atemwegserkrankungen behandeln. Ebenjene Lust am Sprachwitz ist auch wohl die größte Stärke von "Sometimes I sit and think, and sometimes I just sit", ihrem offiziellen Debütalbum.

Für ihren Sound oszilliert die junge Australierin zwischen kraftvollen Grunge-Interpretationen, knackig-frischen Slacker-Hymnen und ausschweifenden Halbballaden, die aufgrund ihrer Doppelbödigkeit eben immer mehr sind als reine Tränenzieher. Für die Single "Pedestrian at best" lies sich Barnett zum traurigen Clown schminken, nur um dann um so deutlicher auf die Pauke zu hauen. Über den dreckigen Klang satter Hole-Gitarren bellt sie bissige Zeilen über den suboptimalen Zustand einer brüchigen Beziehung: "Under-worked and oversexed / I must express my disinterest / The rats are back inside my head / What would Freud have said?" Der nicht ganz ernst gemeinte Vorschlag zur Rettung der Affäre: "Give me all your money / And I'll make some origami, honey."

Im lässigen "An illustration of loneliness (Sleepless in New York)" leidet Barnett unter ordentlichem Schlafmangel, aber wie soll man auch ins Reich der Träume reisen, wenn man immer wieder an die verflossene Liebe denken muss und was ebendiese wohl gerade so macht? Für das ruhige "Depreston" lieh sich die quirlige Poetin dann den raumgreifenden Sound von The War On Drugs, inklusive großzügiger Hallflächen und atmosphärischer Gitarrenpassagen. Thematisch handelt das Stück von der ermüdenden Suche nach dem richtigen Domizil und der adäquaten Haushaltsausstattung: "Now we've got that percolator / Never made a latte greater / I'm saving twentythree dollars a week." Restlos überzeugt ist Barnett dennoch nicht, der neue Bungalow macht sie nämlich depressiv. Aber wie immer gilt es, das Beste daraus zu machen und die positiven Seiten zu sehen. Das klingt dann so: "It has got a lovely garden, a garage for two cars to park in / Or a lot room of storage if you've just got one." Na, immerhin etwas!

Mit dem herrlichen "Dead fox" dengelt sich die Australierin durch den Einzelhandel, um mit jeder Menge Sinn für Humor festzustellen: "We bought organic vegetables / And I must admit that I was a little skeptical at first / A little pesticide can't hurt." Die musikalische Grundierung dieser süffisanten Lach- und Sachgeschichte bleibt angenehm fluffig, der Bass brummelt vergnüglich am stolpernden Schlagzeug vorbei und die coolen Gitarren gniedeln sich den quälenden Heuschnupfen vom Leib, dass es eine helle Freude ist. "Sometimes I sit and think, and sometimes I just sit" lebt letztlich nicht nur von den klugen Erzählungen, sondern auch vom sonnendurchfluteten Indie-Rock, der auch mal eine verstaubte Orgel aus der Garage holt, wenn es nötig erscheint. Die elf versammelten Songs wirken wie lässig aus dem Ärmel geschüttelt, klingen dadurch so frisch wie selbstgemachte Zitronenlimo und sind am Ende vor allem doch eines: ein Versprechen für die Zukunft.

(Kevin Holtmann)

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Highlights

  • Pedestrian at best
  • Depreston
  • Dead fox

Tracklist

  1. Elevator operator
  2. Pedestrian at best
  3. An illustration of loneliness (Sleepless in New York)
  4. Small poppies
  5. Depreston
  6. Aqua profunda!
  7. Dead fox
  8. Nobody really cares if you don't go to the party
  9. Debbie Downer
  10. Kim's caravan
  11. Boxing Day blues

Gesamtspielzeit: 44:29 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Kojiro

Postings: 3021

Registriert seit 26.12.2018

2021-07-15 05:58:06 Uhr
In Vorfreude aufs neue Album die Tage mal wieder gehört. Mag ich unglaublich gerne. "Pedestrian" ist so groß.

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31725

Registriert seit 07.06.2013

2020-02-17 14:04:10 Uhr
Muss ich echt mal wieder hören. Allein "Pedestrian" und "Depreston" sind so toll. Für mich immer etwas die weibliche Version von Pavement.

doept

Postings: 713

Registriert seit 09.12.2018

2020-02-15 00:35:22 Uhr
Da ich etwas Australien-vorgeschädigt bin haben Künstler von der anderen Seite der Welt immer einen Stein im Brett bei mir, aber dieses Album ist wirklich großartig.
Nichts innovatives dabei, aber Alternative Rock auf höchstem Niveau und vor allem live sehr unterhaltsam...

MopedTobias (Marvin)

Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion

Postings: 19949

Registriert seit 10.09.2013

2020-02-14 23:27:05 Uhr
Hab ich gestern auch wieder gehört, um zu entscheiden, ob ich "Pedestrian at best" in meine Top 100 packen soll. Das Ergebnis war: ja :)

Kann mich nicht komplett auf Albumlänge begeistern, aber sehr cooler Slacker-Sound und grandiose Lyrics.

edegeiler

Postings: 2919

Registriert seit 02.04.2014

2020-02-14 23:20:19 Uhr
Platz 86:
Courtney Barnett - Sometimes I Sit and Think, and Sometimes I Just Sit

Emotionaler, intelligenter, unmoderner Alternative Rock. Konnte mich leider nur selten richtig drauf konzentrieren, aber wenn ichs geschafft habe, war es stark. Klingt zwar alles leicht angestaubt, aber die Songs sitzen. Ein klassisches: Für Fans des Genres. -/10
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