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Protomartyr - Under color of official right

Protomartyr- Under color of official right

Hardly Art / Cargo
VÖ: 11.04.2014

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Toll, Wut!

"Don't feel nothing for anyone / Don't feel no love for anything." Es macht immer wieder Spaß, im Forum von Plattentests.de unterwegs zu sein. Zwischen vielen, vielen, vielen Homosexualitätsbekundungen, konstruktiven Auseinandersetzungen und vor allem vor Reife strotzenden Usern, die die Meinung anderer respektieren, findet sich ab und an tatsächlich eine Empfehlung, die sich als äußerst gelungen herausstellt. Ohne das Forum von Plattentests.de und die nimmermüden Bemühungen des Users Dr. King Scholtz hätten viele wohl nie von "Under color of official right" gehört, dem zweiten Album des Quartetts Protomartyr aus Michigan. Große Namen wie Joy Division, Sonic Youth oder auch Pavement unter der Empfehlung des Guten wirkten wie ein lockendes Zuckerstück, ein kurzes Reinhören sollte auf jeden Fall drin sein – was Protomartyr aber bereits in den ersten Minuten anstellten, war weitaus anspruchsvoller und bewegender, als man zunächst hätte annehmen können. Einen derart melancholischen Opener wie "Maidenhead" mit seinem unterschwelligen Surf-Rock hatte 2014 jedenfalls kaum eine Band im Gepäck, und seien wir mal ehrlich: Bei den meisten hätte es auch nicht so vorzüglich funktioniert.

"Beware of pity / When it comes back it sounds like this." Klar gehört zu einer postpunkigen Truppe wie Protomartyr auch das entsprechende Auftreten. Frontmann Joe Casey und seine Kollegen machen keinen Hehl daraus, dass sie die Dinge auch gern selbst anpacken, um etwas zu ändern. Hört man Casey etwa im noisigen "I stare at floors" laut über seine Mitmenschen nachdenken mit den Worten "Why don't they die?", ist das zumindest bemerkenswert. "We hope for better things, it shall rise from the ashes" lautet das offizielle Motto ihrer Heimatstadt Detroit, und offenbar sind Protomartyr auch bereit, im Notfall einfach selbst ein Feuer zu legen. So verspielt wie im rhythmisch unglaublich starken "Ain't so simple", das sicher nicht von ungefähr an Joy Divisions "She's lost control" erinnert, sind sie jedenfalls bei weitem nicht immer auf "Under color of official right". Glasklaren Alternative Rock mitsamt scheppernder Snare gibt es etwa in "What the wall said", fast schon tanzbaren Punk in der apokalyptischen Botschaft des basslastigen "Come & see": "Outside, animals sounds / Come and see / They'll lead us all to Heaven" – wenn die Tierchen vor der Tür aber ähnlich bedrohlich die Zähne fletschen wie auf dem Cover, bleibt man womöglich doch lieber in den sicheren vier Wänden.

"Scum, rise! / Take a seat there, on your side / I write a letter untied to every little city." Andererseits: Wirklich sicher ist hier wohl niemand mehr und auf leisen Pfoten ohnehin keiner unterwegs. Geht es nach Protomartyr, stehen die Zeichen auf Revolution, nicht nur im düsteren "Scum, rise!": "Pound them all! Dead hippie squadron" beschwört Casey hier seine Anhänger, die Gitarre verdichtet sich mit viel Strom zu einer Wall of Sound, der Bass dröhnt im Hintergrund. Sollte hier noch jemand eine weiße Flagge schwenken, ist es mittlerweile zu finster, um sie ausfindig zu machen. In "Bad advice" entlädt Casey seine Wut auf Kwame Kilpatrick, den mittlerweile unter anderem wegen Korruption verurteilten und im Gefängnis sitzenden Ex-Bürgermeister von Detroit, im Dance-Punk von "Tarpeian rock" auf alle möglichen und fragwürdigen Gestalten, die ihm scheinbar gerade einfallen. Sicher mögen einige Leute darin ein erhöhtes Aggressionspotential sehen, aber immerhin löst Casey seine Probleme hier auf eine kreative und hörenswerte Art und Weise.

"If it's violent / Good / Cause if it's violent / It's understood / And if it's violent / Maybe / It's all violent." Tatsächlich scheinen die Songs eine Art Katharsis für Casey & Co. zu sein, und das Ausleben sämtlicher Ängste oder auch wütender, trauriger, erschütternder Gedanken bewirkt hier ein nach und nach entstehendes Gefühl von Freiheit. "Violent" etwa klingt alles andere als gewalttätig, aber dennoch gewaltig, wenn Protomartyr mit wenigen Mitteln – vor allem mit einem durchdringenden Bass – eine Atmosphäre schaffen, die jedes negative Gefühl langsam verblassen lässt, bis noch eine unscharfe Erinnerung daran bleibt. Das genaue Gegenteil findet mit "Under color of official right" statt, das immer stärker, immer präsenter wird, dessen einzelne Noten sich tiefer und tiefer einbrennen, bis man sie am Ende tatsächlich hört, die Tiere draußen vor der Tür. Und sich irgendwann, von allen Ängsten befreit, zu ihnen gesellt – um den nächsten Aufstand zu proben.

(Jennifer Depner)

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Highlights

  • Maidenhead
  • Pagans
  • Tarpeian rock
  • I stare at floors
  • Come & see

Tracklist

  1. Maidenhead
  2. Ain't so simple
  3. Want remover
  4. Trust me Billy
  5. Pagans
  6. What the wall said
  7. Tarpeian rock
  8. Bad advice
  9. Son of Dis
  10. Scum, rise!
  11. I stare at floors
  12. Come & see
  13. Violent
  14. I'll take that applause

Gesamtspielzeit: 34:44 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
rolator
2015-03-21 10:19:35 Uhr
Und wenn ich jetzt noch schaffe, das Dope wegzulassen, machen meine Postings evtl. auch Sinn.
Dr. King Schultz
2015-03-19 06:38:27 Uhr
Warum wurdn des hier so spät rezessiert, hä?

eric

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 2799

Registriert seit 14.06.2013

2015-01-07 11:34:41 Uhr
Kein "wunder Punkt" - nur ein Missverständnis.

Ist ja auch nicht so, dass der Begriff "durcharbeiten" für etwas Schweres, Aufwändiges stehen soll. Eher dafür, dass ich mich dann erstmal nur genau auf die Musik konzentriere.

Aber das erklärt's ja, also alles gut.

Desare Nezitic

Postings: 5406

Registriert seit 13.06.2013

2015-01-07 11:05:41 Uhr
Mit dem Arbeitsbegriff wieder einen wunden Punkt getroffen?

Klar arbeite ich Alben und Listen mit Alben durch, wenn ich sie noch nicht kenne. Der Genuss, die Entfaltung folgt dann sofort, wenn der Sound mir behaglich ist und ich mir einen Überblick über das vorliegende Werk verschafft haben.
Ist ja auch nicht so, dass der Begriff "durcharbeiten" für etwas Schweres, Aufwändiges stehen soll. Eher dafür, dass ich mich dann erstmal nur genau auf die Musik konzentriere.

eric

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 2799

Registriert seit 14.06.2013

2015-01-07 10:51:19 Uhr
Ich finde das auch stark. Würde wohl 7/10 raushauen. Aber definitiv macht der Sound sofort Lust, die Platte häufiger zu hören. Was hier gar ein "Erarbeiten" erforden soll, ist mir schleierhaft.
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