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Die Fantastischen Vier - Rekord

Die Fantastischen Vier- Rekord

Columbia / Sony
VÖ: 24.10.2014

Unsere Bewertung: 5/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Beziehungsstatus: Es ist schwierig

25 Jahre lang glücklich miteinander vereint? Das schaffen für gewöhnlich nur Paare, die sich mehr zufällig zu den Mahlzeiten begegnen oder die von vornherein taubstumm geboren wurden und ihren Ehebund mit entschärften Untertiteln eingegangen sind. In selteneren Fällen gelingt dies sogar knittrig gewordenen HipHoppern, die sich nur noch in gewissen Zeitabständen von ihrem Olymp erheben, um das gemeine Volk mit einer neuen Platte für dessen langes Darben zu entlohnen. Übertragen auf Die Fantastischen Vier müsste das, gemessen an ihrem bisherigen Gesamtkunstwerk, eigentlich ein todsicheres Superhelden-Ding werden. Aber eigentlich ist eigentlich eigentlich ein Scheißwort und außerdem sind die letzten regulären Alben der Schwaben bei Plattentests.de nicht völlig grundlos unter die Räder geraten. Das wenig prickelnde "25" und die noch geschlechtszermürbendere Zweitauskopplung "Und los" deuteten bereits an, was auf "Rekord" in schlappen 55 Minuten zur traurigen Gewissheit wird: Stuttgart-Rap hat nach einem Vierteljahrhundert schlichtweg Flasche leer, da hilft keine Festrede und auch kein weiterer prominenter Gratulant aus dem Sack.

Es lässt sich freilich nicht behaupten, dass den Herren der Wille fehlt. "Heute" vollführt einen ziemlich eiweißtreibenden Kriegstanz mit rüdem Beastie-Boys-Gefiepe, der sich im zertrümmerten Backstagebereich seines Radaubruders "Was geht" sichtlich wohlgefühlt hätte. Dieser sture Kopfnicker steht mit seiner unerschrockenen Attitüde allerdings relativ alleine auf weiter Flur. Das besagte "Und los" trottet dagegen so brav, treudoof und bieder durch die Gegend, wie Smudo & Co. simultan Werbung für einen fragwürdigen Pay-TV-Sender machen, den diese Welt ebenfalls nicht zwingend gebraucht hätte. Der vorgezogene Jubiläums-Discostampfer "25" reduziert die grundsätzlich witzige Idee, den 1980er-Jahre-Helden Don Snow von The Catch für den Refrain noch einmal aus seinem Kühlfach zu hieven, auf das Nummer-Sicher-Level eines Kalauers von Mario Barth. Der kleinste gemeinsame Nenner wird aber leider nicht dadurch größer, dass die Massen ihn bejubeln.

Käufer wird dieses durchschnittliche Album trotzdem ausreichend finden, schließlich haben Fanta-4, wie sie der Volksmund maulfaul nennt, längst ihr eigenes Universum im weiten Pop-Kontinuum besetzt. Und was der Deutsche einmal ins Herz geschlossen hat, das gibt er eben nur ungern wieder her. Ebenso wie seine unzähligen Grönemeyer- oder Westernhagen-Alben, mögen sie im Grunde noch so nichtig sein. Vieles hier bleibt folglich tausendmal gehört, und das meist in besseren Varianten. Eine Hände-hoch-Nummer wie "Lass sehen" könnte schließlich genauso von 1993 stammen, als die vier zwar kaum Zähne im Maul hatten, aber schon La Paloma pfiffen – aktualisiert allenfalls durch einen müden Textverweis auf Marterias "Kids", der nicht mehr als ein irritiertes Achselzucken hinterlässt: "Alle haben ein iPhone / Ich hab' Langeweile / Keiner will vorbeikommen / Jeder will dabei sein". Nee, wie originell, was haben wir gelacht, einen ganzen Eimer voll.

Und es kommt noch schlimmer. Die Befindlichkeitswolke "Wie geliebt" erinnert mit Hausmarkes Kindergarten-Refrain an viele frühe Songverbrechen von Juli, hängt ähnlich voller trügerischer Hollywood-Geigen und gibt trotzdem nicht mehr als ein laues Lüftchen ab, lässt man den stolz polternden Beat einmal beiseite. Smudos Schüttelreime im schiefen Fusion-Rocker "Gegen jede Vernunft" spotten ebenfalls jeder Beschreibung: "Heut' will jeder Schmock nach vorne / Züchtet sich 'n Koi / Ich hab' keinen Bock auf Porno / Ich will nur mit Dir ins Heu." Reim Dich schon mal, ich glaub', ich fress Dich doch erst später, denn mir ist gerade speiübel. Und wieso liegt hier eigentlich überall Stroh herum?

Es gibt trotzdem Momente auf "Rekord", in denen man den alten Quertreiber-Geist der Schwaben weiterhin erhaschen kann, ob nun mit oder ohne c. "Typisch ich" ist da das beste Beispiel: Krank-Pop von erlesenster Deichkind-Klasse, herrlich gegen den Strich gebürstet und für gewöhnliche Sterbliche immer noch ein schwer zu kauender Brocken Unmusik. Die ubiquitäre Miss Platnum wiederum verhilft dem geisterhaften P-Funk von "Disco" zu entschieden mehr Körperlichkeit, sodass die alten Rivalen aus Rödelheim allenfalls neidisch in ihre Kettenlenkräder beißen können. Smudos Downbeat-Selbstgespräch "Frieden wie denn" beherbergt darüber hinaus einen wohlig-meditativen Schunkel-Chor, der sich vermutlich bestens mit dem markanten Sample-Thema aus "Love sucks" von 1995 vertragen hätte.

Am Schluss dieser Platte warten dann allerdings noch zwei ärgerliche Zugeständnisse, die man sich durchaus hätte sparen können. Offenbarungen wie "Gott ist mein Zeuge" braucht spätestens seit Xavier Naidoos aufdringlicher Missionarshaltung kein kritisch denkender Mensch mehr. Wenn Thomas D dazu wiederum den gleichen Predigerton anschlägt, mit dem er seit dem epischen "Krieger" schon ganze Soloalben gefüllt hat, dann sollte ihm endlich jemand verklickern, dass es irgendwann reicht. Und im pompös-tumben Stadion-Rausschmeißer "Das Spiel ist aus" dazu obendrein "Hasch meine Blunts" auf "Wasch meinen Schwanz" zu reimen, schlägt dem Plattitüden-Fass mehr als nur einen Boden aus. Kein Wunder, wenn man dann am nächsten Morgen um etliche Facebook-Kontakte ärmer ist. Aber was stört es das Künstlervolk, wenn die Internet-Gemeinschaft sich an ihm reibt.

(Andreas Knöß)

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Highlights

  • Heute
  • Typisch ich
  • Disco

Tracklist

  1. 25
  2. Heute
  3. Und los
  4. Lass sehen
  5. Gegen jede Vernunft
  6. Typisch ich
  7. Wie geliebt
  8. Single
  9. Disco
  10. Der Mann den nichts bewegt
  11. Frieden wie denn
  12. Gott ist mein Zeuge
  13. Das Spiel ist aus

Gesamtspielzeit: 54:54 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Im Herzen Spießer und Schwabe geblieben
2014-10-29 02:18:49 Uhr
Thomas D: „Das Spiel ist aus“ ist ein hartes, aber auch witziges Stück. Meine Kinder wollten es immer hören, aber ich habe es vor Smudos Strophe immer ausgemacht. Ich kann es nicht verantworten, meinen Kindern „Wasch meinen Schwanz“ vorzuspielen.

http://www.gn-online.de/Nachrichten/Aufstand-der-Rap-Opas-85332.html
The Voice of Unrechtsstaat
2014-10-28 20:46:46 Uhr
Der einzige Kredibile von denen ist doch nur noch And.Y!

Cosmig Egg

Postings: 766

Registriert seit 13.06.2013

2014-10-28 20:07:57 Uhr
eigentlich mag ich die. Wenn nur Thomas D. nicht wär....

eric

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 2794

Registriert seit 14.06.2013

2014-10-06 16:15:09 Uhr
Zumindest bei Sky haben sie auch kräftig die PR-Trommel gerührt. Dort läuft diese Single schon seit Wochen in den Jingles rund um die Übertragung der Fußball-Bundesliga.

Achim

Postings: 6287

Registriert seit 13.06.2013

2014-10-06 12:13:00 Uhr
schaut wohl wirklich nicht so gut aus: http://www.dwdl.de/nachrichten/47924/the_voice_smudo_macht_auch_wegen_der_pr_mit/
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