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Bohren & Der Club Of Gore - Piano nights

Bohren & Der Club Of Gore- Piano nights

PIAS / Rough Trade
VÖ: 24.01.2014

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Aus der Zeit gefallen

Man meinte ja schon, Bohren & Der Club Of Gore hätten sich schlussendlich sowohl der Schrittlänge als auch dem Tempo ihrer Musik angepasst. Über fünf Jahre ist es her, dass sie mit "Dolores" letztmals die Brotsamen ihres Horror-Jazz einsammelten. Zuvor ging es immerhin im Drei-Jahres-Turnus voran, nun aber scheint ihr Gezeitenfeld endgültig in einen langen Atem implodiert zu sein, dem man sicherheitshalber allminütlich den Puls fühlt – zu ungewiss der Lebensstatus, zu metastabil das EKG. In der Zwischenzeit luden Bohren & Der Club Of Gore Mike Patton ins Studio und nahmen die mit 38 Minuten im Band-Kontext äußerst kurzweilige EP "Beileid" auf. Und im Jetzt? Ist "Piano nights" die wohl zugänglichste Platte, die die vier Mülheimer seit der Jahrtausendwende eingespielt haben.

Mit futuristischen Ambitionen haben Bohren & Der Club Of Gore hingegen kaum noch etwas am Hut. Verlangsamte die quälende Klaustrophobie von "Geisterfaust" ihre Musik einstmals in Richtung Zukunft, so beherrschen "Piano nights" die Hand vor den Augen, der leere, weitscheifende Blick oder auch die Stirn auf dem Tresen. Und dass solche Gesten eher von vergangener denn von kommender Gram provoziert werden, weiß der Hörer wohl von so manch eigener durchwachten Nacht. Viel Zeit zum Verzagen bleibt indes nicht, denn gleich der Opener "Im Rauch" wirft sich direkt hinein in den Abschiedsschmerz. In noch nicht einmal zwei Minuten ist alles zugegen, womit Bohren & Der Club Of Gore vormals nur zu gerne hinterm Berg hielten: Dreampop-Keyboard-Flächen, Besenschlagzeug, Marimba, Klavierläufe und Saxophon umspielen Bassnoten, denen die Eins als Zählzeit genügt, weil alles andere einer Herzrhythmusstörung gleichkäme. Und für die hat "Piano nights" in seiner gesamten guten Stunde nun einmal keinen Platz.

Kein Wunder, schließlich steckt dieses Album ohnehin bereits pickepacke voll mit allem zwischen Angelo Badalamenti, Bill Connors und Codeine. Die leicht angeschärften Bassnoten von "Fahr zur Hölle" und "Irrwege" verbreiten eine Anmutung von Slowcore, während "Ganz leise kommt die Nacht" sein Vibraphon zu echtem Film-Noir-Jazz emporspielt. Das abschließende "Komm zurück zu mir" perlt auf einer halbresonierenden Gitarre voran, und bei "Segeln ohne Wind" scheint gar ein Dur-Hirngespinst durch den Hintergrund zu wehen. Man muss sagen: Es bereitet immense Freude, Bohren & Der Club Of Gore mit einer derartigen Selbstgenügsamkeit musizieren zu hören, auf keine doppelten Böden, zweite oder dritte Ebenen mehr zu warten. Denn diese sind ja ohnehin bereits im Bandsound zementiert. Und den Rest besorgen immer wieder hervorglucksende, atonale Verschiebungen, die als solche zwar aus dem Harmonienmeer, doch wegen der Spartanik und vor allem der Nicht-Geschwindigkeit von "Piano nights" gar nicht weiter aus dem Rahmen fallen.

Was heißt: Nach wie vor inszenieren Bohren & Der Club Of Gore ein Spiel auf Zeit, und das nur zu Recht – schließlich ist Zeit alles, was sie – und wir – haben. Die Anachronie dieser Musik funkt dann wie eh und je auf einer Wellenlänge mit dem Verschwinden des Rauschs aus der Eckkneipe, dem Mixgetränk statt Branntwein, der Gesundheitspolitik als nach wie vor konsistentester Nachgeburt des Faschismus, Mickey Rourkes Ganzkörper-Erosion seit der so wunderbar abgründigen Melancholie von "Angel Heart" oder auch den immer schärferen, farbenfroheren, mehrdimensionalen Bildern auf den bildgebenden Geräten der Neuzeit. Macht aber alles nichts, denn schließlich ist und war die Achronie, der Ausbruch aus dem Zeitenstrom, stets ein wesentliches Einfallstor der Kreativität. Also einfach mal wieder ab in den nächste Eckkneipe und den Raum ordentlich zupaffen; am TV den Kontrast auf volle Pulle drehen und mit Mickey Rourke einen Doppelten auf die Naturfett-Frisur trinken; überhaupt einfach mal Leber, Nieren und Milz eine Auszeit vom Müsli-Terror gönnen; sprich: einfach mal wieder Bohren & Der Club Of Gore. Es wird Euer Schaden nicht sein. Denn der liegt, na klar, stets im Vergangenen.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights

  • Im Rauch
  • Fahr zur Hölle
  • Segeln ohne Wind
  • Komm zurück zu mir

Tracklist

  1. Im Rauch
  2. Bei rosarotem Licht
  3. Fahr zur Hölle
  4. Irrwege
  5. Ganz leise kommt die Nacht
  6. Segeln ohne Wind
  7. Unrasiert
  8. Verloren (Alles)
  9. Komm zurück zu mir

Gesamtspielzeit: 61:23 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
dreamwebb
2014-02-16 22:58:06 Uhr
Im Rauch 8/10
Bei Rosarotem Licht 9/10
Fahr Zur Hölle 7/10
Irrwege 7/10
Ganz Leise Kommt Die Nacht 7/10
Segeln Ohne Wind 6/10
Unrasiert 8/10
Verloren (Alles) 9/10
Komm Züruck Zu Mir 8/10

insgesamt 8/10, Album reiht sich nahtlos in die Bohren-Diskografie ein.

floesn

Postings: 162

Registriert seit 14.06.2013

2014-01-28 08:36:27 Uhr
Gutes Album. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass es eine band ist, bei der ich die einzelnen Lieder und Alben nur schwer auseinander halten kann. Jedes Album von denen lebt bei mir eher von meiner Stimmung, denn wirklich mitreißende "Songs" haben sie ja nicht :-)
Mittlerweile habe ich aber dennoch fast alle Alben zu Hause stehen, weil die Band für mich einfach ein tolles Alleinstellungsmerkmal hat.

Clown_im_OP

Postings: 450

Registriert seit 13.06.2013

2014-01-27 17:26:11 Uhr
Wusste nicht dass der Platte auch die CD beiliegt. Wirklich sehr vernünftiger Preis dafür, und verdientermaßen Bestseller bei Amazon.
i am the running man
2014-01-27 06:18:13 Uhr
nach dem sport, zum relaxen, ist diese platte genau das richtige
achim4
2014-01-25 20:11:49 Uhr
i am the greatest, hihihi
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