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30 Seconds To Mars - Love lust faith + dreams

30 Seconds To Mars- Love lust faith + dreams

Virgin / Universal
VÖ: 17.05.2013

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Nutten und Koks

Wie sieht der Alltag eines Mitarbeiters von Plattentests.de aus? Nun, wenn dieser sich nach der zurückliegenden Orgie, gesponsert durch die ansässige Plattenfirma Schlusenbach Records, frühmorgens um 17 Uhr aus seinem Erbrochenen gequält hat, geht es fix an das Beantworten der letzten Rundmails vom Chef, sofern sich der von Antidepressiva und Höhensonne zerfressene Kopf wieder daran erinnern kann, was eine Webseite ist. Hat er seinen darbenden Leib dann an den ganzen Schnapsleichen und nackten Frauenleibern vorbei an den Rechner gekämpft und den kalten Entzug aus den syphilitischen Gliedmaßen geschüttelt, schreibt sich die überfällige Rezension nach mindestens elf Linien von dem komischen weißen Zeugs aus der Waschmitteltrommel fast wie von selbst - sofern der selbstprogrammierte Textgenerator nicht wieder nur Schwachfug absondert oder gar Tastaturrülpsen hervorruft. Das mag jetzt alles reichlich albern, erstunken, erlogen oder schlimmstenfalls nach Bandwurmsatzbefall klingen - und doch hat es eine Menge mit der neuen Veröffentlichung von 30 Seconds To Mars zu tun.

Sänger und Obermarsianer Jared Leto gibt sich in aktuellen Interviews nämlich sowas von abgeklärt und begeistert ob dieser Platte, dass alles andere als redlicher Zweifel unangebracht scheint. Zu hoch war schließlich die Messlatte, die die Band mit "This is war" gelegt hat. Ein Popmonstrum aus Kinderchorälen und kathartischem Gebrüll über verchromten Gitarrenfundamenten in exorbitanter Elektronik versenkt und mit tödlichen Hooklines zugleich absolut humorlos auf Charts gebürstet, das konnte nur ein einziges Mal gutgehen.

Gewiss, der flotte Dreier aus den Staaten gibt sich alle erdenkliche Mühe: An der Startlinie lauernde Kriegstrommeln, kampfbereite Streicher und ihre getreuen Brass-Gefährten aus den Studio-Schaltkreisen beweisen es eindeutig. Zudem wurde die letztmalige Kinderarbeit abgeschafft und sämtliche Klangräume hören sich wieder mehr nach Gelsenkirchener Barock denn nach restauriertem Bernsteinzimmer an. Es ist eine trügerische Bescheidenheit, die "Love lust faith + dreams" anhaftet. Leto mag zwar gerne weltmännisch vom versautesten und persönlichsten Album überhaupt faseln, aber in der Vergangenheit ist das lechzende Publikum von Alben wie "The alternative" von IAMX oder Goldfrapps "Black cherry" durchaus gründlicher und vor allem dreckiger durchgeknödelt worden. Wenn richtiger Sex wirklich wie New York City sein sollte, dann können das schüttere "Conquistador" und seine brustbehaarten Radaubrüder eben nur die Autobahnausfahrt von Wanne-Eickel sein.

Gerade diese in "End of days" auf die Spitze getriebene Biederlichkeit ist es, die Letos Behauptung, er mache keine Platte ein zweites Mal, entschieden widerspricht. Hörbar in "Bright lights", das trotz seiner sympathischen Lieblichkeit wie ein erstarrter Aufguss des Vorgängers, aber nicht wie eine mögliche Weiterentwicklung ausfällt. Zu abgenutzt scheint die Formel, der sich die Amerikaner hingegeben haben. Und trotzdem funktioniert sie bisweilen weiter. Zu den dröhnenden Fangesängen von "Up in the air" kann der Mob auf den Stehplatzrängen selbst mit vier Promille im Blut noch abgeklärt die Fäuste recken. Stadionmucke verkauft sich allezeit wie geschnitten Brot. Sowohl das gefällig daherdröppelnde "City of angels" als auch "The race" mit seinen verschmust grummelnden Bass-Synthies schießen nüchtern genauso ins zuckende Gebein und die melancholisch dahergeschmetterte Entschuldigung "Do or die" geht als solche vollkommen in Ordnung.

Bei "Northern lights" finden Letos stimmliche Wechsel zwischen fragilem Tasten und vorbehaltloser Urschreitherapie endlich so etwas wie tiefgreifendere Erfüllung. Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sogar der stillschweigende Mittelpunkt dieser Null-Problemo-Produktion. Das Vergnügen bleibt dennoch ein zwiespältiges. Es mangelt schlicht an Frische, Neugier, Erkenntnis. 30 Seconds To Mars drehen sich um sich selbst und kommen dabei nicht vom Fleck. Weil der sich jedoch mitten im brütenden Sonnenlicht befindet, dürfte es überdies für einen erneuten Besuch im Rotlichtviertel reichen.

(Andreas Knöß)

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Highlights

  • City of angels
  • The race
  • Do or die
  • Northern lights

Tracklist

  1. Birth
  2. Conquistador
  3. Up in the air
  4. City of angels
  5. The race
  6. End of all days
  7. Pyres of Varanasi
  8. Bright lights
  9. Do or die
  10. Convergence
  11. Northern lights
  12. Depuis le début

Gesamtspielzeit: 45:33 min.

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