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Literatur gesucht

User Beitrag
Leatherface
11.08.2010 - 21:55 Uhr
Meine Frage wird wohl zwar vergeblich sein, wo ich vor einigen Jahren hier noch zahlreiche hilfreiche Antworten bekommen hätte, aber ich versuch's einfach trotzdem mal, in der Hoffnung, dass ein paar Kenner (z.B. unsere Literatur-Studenten Raventhird und Björn) mir aushelfen können.

Ich bin auf der Suche nach möglichst bekannten Werken, die das Thema "zwischenmenschliche Entfremdung und Anonymität im Zuge der Urbanisierung" behandeln oder wenigstens streifen - das kann im Prinzip jede Form von Literatur sein, lang oder kurz, aktuell oder Millionen von Jahren alt.

Ich bin auf eure Vorschläge gespannt.
Quadratvogel
11.08.2010 - 22:09 Uhr
Bin zwar kein Literatur-Student wie Raventhird und Björn, aber den "Steppenwolf" hast du vermutlich schon gelesen, oder? Falls nicht, dürfte dem, was du suchst, einigermaßen entgegenkommen, auf jeden Fall sehr lesenswert.
Leatherface
11.08.2010 - 22:18 Uhr
Den hab ich schon auf dem Schirm, aber die Richtung ist schon gut, ja.
Lars
11.08.2010 - 22:20 Uhr
"Irrungen Wirrungen" von Theodor Fontane. Sterbenslangweilig, aber es trifft deine Kriterien ;)
Ständige Vertretung
11.08.2010 - 22:21 Uhr
Fündig wirst du hier natürlich primär in der Moderne oder Postmoderne. Der Klassiker zu dem Thema dürfte Berlin Alexanderplatz sein, aber auch aus Ulysses und Manhatten Transfer kannst du dazu einiges rausziehen. Dann natürlich noch Sartres "Der Ekel", Samuel Beckett hat in seinen Romanen auch einiges zu dem Thema geschrieben.
Ansonsten ziemlich aktuell "Welt Unter" von Yorck Kronenberg (allerdings eher weniger bekannt). An postmoderner Literatur vielleicht noch Wut von Salman Rushdie. Siegfried Lenz streift das Thema zumindest in "Der Verlust" und "Fundbüro". Peter Handkes Angst des Torwarts hat ebenfalls Entfremdungs- und Anonymitätselemente

Aus früheren Zeiten fiele mir als Ehestes die Chronik der Sperlingsgasse von Wilhelm Raabe ein (quasi ein Proto-Großstadtroman). Lyrisch ist aus den Expressionisten so einiges rauszuholen, auch wenn die das Thema sehr mystisch, überzeichnet angehen.

Zumindest wären das so die belletristischen Werke, die mir auf Anhieb einfallen. Suchst du noch Essays oder ähnliches? Dann könnte ich noch ein bisschen wühlen. Meine mich zu erinnern, dass Virilio, Lyotard und Barthes zu Artverwandtem einiges spannendes geschrieben haben; aber ohne Gewähr.
1, 2 Ding
11.08.2010 - 22:21 Uhr
Leatherface 11.08.2010 - 21:55 Uhr
Meine Frage wird wohl zwar vergeblich sein, wo ich vor einigen Jahren hier noch zahlreiche hilfreiche Antworten bekommen hätte, aber ich versuch's einfach trotzdem mal, in der Hoffnung, dass ein paar Kenner (z.B. unsere Literatur-Studenten Raventhird und Björn) mir aushelfen können.


Noch bornierter geht nicht, oder?

Schau mal nach Fritz Zorn "Mars", da gehts aber weniger um Urbanisierung. Camus "Der Fremde" würde ich auch in die Richtung einordnen.
Leatherface
11.08.2010 - 22:24 Uhr
@ Ständige Vertretung: Super! Vielen Dank!

Suchst du noch Essays oder ähnliches?

Ich nehme erstmal alles, was ich dazu finden kann. Aussortieren kann ich später immer noch.
Ständige Vertretung
11.08.2010 - 22:34 Uhr
@Leatherface
Kein Ding

Schnell noch bei den Expressionisten gewühlt:

Städter (von Alfred Wolfenstein)

Dicht wie die Löcher eines Siebes stehn
Fenster beieinander, drängend fassen
Häuser sich so dicht an, daß die Straßen
Grau geschwollen wie Gewürgte stehn.

Ineinander dicht hineingehakt
Sitzen in den Trams die zwei Fassaden
Leute, ihre nahen Blicke baden
Ineinander, ohne Scheu befragt.


Unsre Wände sind so dünn wie Haut,
Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine.
Unser Flüstern, Denken ... wird Gegröle ...

- Und wie still in dick verschlossner Höhle
Ganz unangerührt und ungeschaut
Steht ein jeder fern und fühlt: alleine


Zu finden in: Lyrik des Expressionismus (herausgegeben von Silvio Vietta). Darin gibts ein ganzes Kapitel "Großstadterfahrung"
Leatherface
11.08.2010 - 22:42 Uhr
Das ist schön. Die Expressionisten werd ich auch mal durchwühlen, "mystischeres" kann ich durchaus auch gebrauchen.
Orange
11.08.2010 - 22:43 Uhr
Bertolt Brecht: Die heilige Johanna der Schlachthöfe
Fleischfabrik in Chicago, Streik aufgrund der Arbeitsbedingungen....

ich studiere Germanistik, das nur am Rande :)
Raventhird
11.08.2010 - 23:00 Uhr
@Leatherface: Ich habe den perfekten Tipp für Dich (auch wenn ich mein Studium inzwischen abgeschlossen habe): Botho Strauß: Paare, Passanten. Großartiges Buch von kurzen, skizzenhaften und doch extrem scharfsinnigen Alltagsbeobachtungen von Menschen und ihren Beziehungen im öffentlichen, modernen Raum.
Raventhird
11.08.2010 - 23:05 Uhr
Berlin Alexanderplatz ist natürlich wirklich der Klassiker zum Thema, falls Du den noch nicht kennst (für mich war das allerdings aus irgendwelchen Gründen ein echt anstrengendes Buch, die Schnitte und Perspektiven sind eher filmisch).

Sonst (in den Raum geworfen): Kästner: Fabian. Und vielleicht der Mann ohne Eigenschaften (Musil).
Depppenthird
11.08.2010 - 23:06 Uhr
NATÜRLICH IST MEIN TIPP PERFEKT!!! ALLE ANDEREN KÖNNEN NUR SCHLECHTER SEIN!!! ICH BIN SO KLUK!!!!!

Mein Gott, was für ein lächerlicher Vollspack. Bitte verzieh dich endlich!
bernhard.
11.08.2010 - 23:06 Uhr
hm, ich studier auch literatur, muss jetzt aber echt mal überlegen. ich denke das gesamte werk von "w.g. sebald", vor allem austerlitz und die ausgewanderten könnten da funktionieren, weiß aber nicht ob da der fokus so groß auf der urbanisierung liegt, aber vor allem in austerlitz gibts eine stelle an der der verfall einer stadt und von architektur, ebenso deren veränderung schön beschrieben wird.

darüber hinaus in der "pop"literatur ist sicherlich auch "g.a.s. - die trilogie der stadtwerke" zu nennen, das ist halt fantasy.

ansonsten wurde berlin alexanderplatz und ulysses zb schon genannt, die müssen da auf jeden fall dazu.
Orange
11.08.2010 - 23:07 Uhr
Oh vergessen:

Rilke: die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge
rainy april day
11.08.2010 - 23:09 Uhr
1. Dostojewski - Verbrechen und Strafe
Raskolnikow hat noch jeden mitgerissen, vor allem das Thema Entfremdung wird hier von Dostojewski aus psychologischer Sicht virtuos, sehr, sehr schlau und vor allem menschlich behandelt.

2.Ansonsten empfehle ich überall und gerne Unendlicher Spaß von David Foster Wallace, das allerdings auch wirklich nach deinen Vorstellungen sein sollte. Im Grunde eine komplexe und gnadenlose Abrechnung mit der Urbanisierung, und so gut geschrieben, dass du niederknien wirst.
Orange
11.08.2010 - 23:10 Uhr
Noch eins:

Dos Passos: Manhattan Transfer
kingsuede
11.08.2010 - 23:10 Uhr
@ Leatherface: Vielleicht kannst du auch etwas mit Arno Schmidts "Schwarze Spiegel" und "Gelehrtenrepublik" sowie Stanislaw Lems "Der futurologische Kongress" etwas anfangen, wenns etwas politischer zugehen darf.
Leatherface
11.08.2010 - 23:12 Uhr
Oje, das läuft ja besser als erwartet. Jetzt hab ich mein Leben lang zu tun. :-D
kingsuede
11.08.2010 - 23:14 Uhr
@rainy april day: Dostojewski ist da aber schon ganz schön gewagt, da D. meist 'Portraits' der gehobenen russischen Gesellschaft Mitte des 19. Jahrhunderts liefert. Ich kenne nur "Der Idiot", "Der Spieler" und "Weiße Nächte" und mit Entfremdung haben die eher bedingt etwas zu tun, bzw. das Entfremdete ist schwer zu verstehen, wenn man wie ich die russische Gesellschaft zu besagter Zeit nicht näher kennt.
Vielleicht
11.08.2010 - 23:16 Uhr
Mir fällt auf Anhieb AUSTERS New- York- Triologie ein.
Modern, passend.
rainy april day
11.08.2010 - 23:17 Uhr
Nicht immer direkt so missmutig sein ;-)
kingsuede
11.08.2010 - 23:20 Uhr
@rainy april day: Das sollte ja auch gar nicht gegen die Qualität sprechen:) Nur würde ich nicht als Einstieg in so ein Thema Dostojewski empfehlen!
rainy april day
11.08.2010 - 23:26 Uhr
@kingsuede
Über die von dir genannten Bücher Dostojewskis kann ich nichts sagen, die kenne ich (noch) nicht. Verbrechen und Strafe passt meiner Meinung nach gut und vor allem von der "gehobenen russischen Gesellschaft" kann hier nicht die Rede sein. Der misantrophische Protagonist ist arm wie eine Kirchenmaus (ein Zustand, den Dostojewski, der abgesehen von seinen letzten lebensjahren bettelarm war, übrigens sehr gut kannte), muss sein Studium abbrechen und sieht sich durch die Umstände in einem moralisch total verkommenen St. petersburg zu einem Raubmord gezwungen, den er im Vorfeld mit Hochmut rechtfertigt. Nach der Tat zerren aber verschiedene Entwicklungen zunehmend an seinem Weltbild.
Vor allem da Dostojewksi ziemlich harte Gesellschaftskritik übt (Prostitution Minderjähriger, Alkoholismus, geistige Ohnmacht vor allem vieler Männerfiguren) passt es zumindest grob in leatherface's Spektrum. Und ist auch sonst ein grandioses Buch.
rainy april day
11.08.2010 - 23:28 Uhr
Das mit dem missmutig richtete sich an Leatherface, kingsuede ;-)
Raventhird (der ganz smooth einfließen lässt)
11.08.2010 - 23:28 Uhr
(auch wenn ich mein Studium inzwischen abgeschlossen habe)....


.....(auch wenn ich mein Studium inzwischen abgeschlossen habe)
....


....(auch wenn ich mein Studium inzwischen abgeschlossen habe)
....


......HALLLOOOO? WILL MICH DENN NIEMAND FRAGEN?!?!?!?
Otti
11.08.2010 - 23:32 Uhr
Moll

Taglos - Nachtlos
Weder Sonne noch Mond
Monotone Häuserschluchten
In Grau gegossen
Molltönende Erde
Leben hat seine eigene Note
Schwermut singt
Alles klingt wie ein Celli-Concerto
In einem endlosen Tunnel
Schritte gleich Nebel
Eher flüchten
Mehr vergehen
Gesichter aus steinernen Schluchten
Hinter Türen lauschend
Hoffend
- nur Nebel - ein Ton
Türen schlagen zu
Gleich einer kosmischen Röhre
Umschlossen
Molltönender Himmel
Regen tropft in meine Augen
Die Töne verbinden sich
Der Himmel weint
Und ich bin ein Ozean
Raventhird
12.08.2010 - 00:06 Uhr
Rilke: die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge

Absolut phantastisches Buch (inzwischen bei mir wohl Top 5 aller Bücher, die ich je gelesen habe). Ich weiß nicht, ob es in den Kontext passt, aber: Lies das. Unbedingt.
Raventhird
12.08.2010 - 00:07 Uhr
PS: Bin weder schwul noch wichtig, mir aber nicht sicher, ob ich die verfluchten Trolle melden oder einfach ignorieren soll. Jemand ne Idee?
Orange
12.08.2010 - 00:09 Uhr
Ja es passt in den Kontext! Sonst hätte ich es nicht vorgeschlagen.
Paris ist die Metropole, um die es sich hier handelt.
Raventhird
12.08.2010 - 00:20 Uhr
@Orange: Aber eigentlich spielt es ja die meiste Zeit schon mehr im Innen als im Außen.
Kees Popinga
12.08.2010 - 08:34 Uhr
Judith Hermann- Sommerhaus später
Quadratvogel
12.08.2010 - 08:50 Uhr
Camus wäre mir auch noch als nächstes eingefallen. Ansonsten könnte glaub ich Peter Handtkes "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" recht gut in dein Raster passen.
barry
12.08.2010 - 11:38 Uhr
brinkmann: keiner weiß mehr
Cabeza
12.08.2010 - 12:22 Uhr
Musste als erstes an Auster denken, bin allerdings nicht so belesen.
Adam Hundesohn
12.08.2010 - 19:39 Uhr
Louis-Ferdinand Celine: Reise ans Ende der Nacht
Boston
12.08.2010 - 21:14 Uhr
L'étranger von Camus hat aber nicht direkt mit Urbanisierung zu tun. Außerdem entfremdet sich Meursault nicht, er ist von Anfang an "fremd".
Ralf
13.08.2010 - 09:46 Uhr
Was ist mit "Stiller" von Frisch?
Noch nicht erwähnt?
humbert humbert
13.08.2010 - 09:55 Uhr
Irgendwas von Kawabata, z.B. Schneeland oder Tausend Kraniche.

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